Süddeutsche Zeitung

Bundesliga: FC Bayern:Der untaugliche Verfolger

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All die großen Winterpausenworte sind als Geheul entlarvt, die Chance der Münchner auf die Meisterschaft ist nur noch theoretischer Natur. Das letzte Tor schießen immer die anderen. Wo sind die verflixten Dusel-Bayern?

Klaus Hoeltzenbein

Mal ehrlich, wer hatte nicht gedacht (befürchtet?), dass diese Bayern es doch noch drin haben könnten, eine magische Rückrunden-Serie von 17 Siegen hinzulegen? Eine Jagd zu starten und die jungen Dortmunder noch einmal zu erschrecken?

Wer die Bayern in Wolfsburg nur in der ersten halben Stunde sah - bis zu jenem Augenblick, in dem Philipp Lahm jenen Elfmeter verschoss, der das 2:0 bedeutet hätte -, der bekam zumindest eine Ahnung davon, wie viel brachliegende Substanz in diesem Kader vermutet werden darf. Bei Abpfiff aber waren all die großen Winterpausenworte von Trainer van Gaal ("Ich bin ein Gewinner") bis zu Kapitän Lahm ("Wenn eine Mannschaft das noch schaffen kann, dann der FC Bayern") als Winterpausengeheul entlarvt angesichts einer Tabellenlage, die den Münchnern sogar ein wenig Angst machen dürfte.

Historisch neu ist, dass die Bayern einem Rivalen bereits am 18. der 34 Spieltage wenn nicht schon zur Meisterschaft, so doch zu dessen exponierter Rolle gratulieren. Sie haben allenfalls noch eine theoretische, aber keine realistische Chance mehr auf den Titel; besonders deshalb, weil die Auswärtsspiele nach einer verblüffend gleichen Dramaturgie ablaufen: Ob in Kaiserslautern, Dortmund, Gladbach, Schalke oder Wolfsburg - stets legten die Münchner spektakulär los, um spektakulärer einzubrechen. Das deutet auf ein massives Strukturproblem, den Bayern fehlt jede innere Sicherheit, und deshalb sind sie völlig ungeeignet für die Rolle des Verfolgers.

Spätestens jetzt, da die WM-Belastung vieler Profis als Entschuldigung wegfällt, richten sich konkrete Fragen an den Trainer: Warum hat er Schweinsteiger und Müller von jenen Positionen abgezogen, auf denen van Gaal selbst sie vergangene Saison so stark gefördert hat? Warum irrwandelt Schweinsteiger auf der Zehn, obwohl er auf der Sechs, wo er das Spiel stets vor sich hat, zum international respektierten Impulsgeber wurde?

Und natürlich hängt die Hierarchie einer Elf schief, wenn offen ist, ob Mark van Bommel, der wechselwillige Kapitän, Ende Januar überhaupt noch in München ist. Kein Wunder also, dass bei so zentralen Fragen ständig die Abwehr leckt und schon die erste Erschütterung (verschossener Elfmeter) dieses Begabtenteam aus der Fassung bringt.

Van Gaal hat den Bayern im Vorjahr ein gutes taktisches Korsett verpasst, doch jetzt wirkt dieses Korsett wie ein leeres Versprechen. Ohne frische Reize, aber auch ohne die Tugenden von einst. Wo sind denn die verflixten Dusel-Bayern? Das letzte Tor schießen immer die anderen.

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Quelle:
SZ vom 17.01.2011
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