Süddeutsche Zeitung

Bundesliga:Die Bayern-Pointe bleibt diesmal aus

Lesezeit: 3 min

Von Matthias Schmid

Ob Holger Badstuber gedankenverloren und in seiner Vorfreude die Bayernkabine aufgesucht hat, als er am Samstagnachmittag durch die Tür der Fröttmaninger Arena schritt, ist nicht bekannt. Bizarr werden seine Gefühle in jedem Fall gewesen sein, irgendwo zwischen Freude und Verwirrung. Denn der langjährige Spieler des FC Bayern trug plötzlich einen blauen Trainingsanzug statt eines roten spazieren, im neuen Jahr hatte sich der 27-Jährige dem FC Schalke 04 angeschlossen.

Es ist alles noch neu und aufregend für Badstuber, vor allem wenn Spielplan und Trainer es so wollen, dass er seine erste Partie von Beginn an für den neuen Klub gegen den alten macht. Als der gebürtige Allgäuer später aus der Kabine die Treppen gemächlichen Schrittes hochstieg zum Spielfeld, liefen ihm als erstes seine bisherigen Teamkollegen Arjen Robben und Javi Martinez über den Weg, er herzte sie, sie herzten ihn. Alle lachten wie Lausbuben vor der ersten Stunde des Tanzkurses.

Auf dem Rasen benötigte Badstuber dann nicht lange, um gleich im Mittelpunkt zu stehen. Indem er Robben, der sich den Ball beim Dribbling zu weit vorgelegt hatte, mit einem Abpraller von seinem Schienbein zurück ins Spiel brachte. Der Niederländer spielte schnell weiter zu Arturo Vidal, der durchsteckte zu Robert Lewandowski. Der Pole machte dann das, was er am besten kann: herrliche Tore schießen. Er chippte den Ball lässig über den heranstürmenden Ralf Fährmann zum 1:0 hinweg (9.).

Doch Badstubers Fauxpas, sein erstes Bundesligaspiel in dieser Saison von Anfang an und seine Auswechslung nach fast 60 Minuten wegen eines lädierten Oberschenkels waren nicht das Thema nach dem Spiel. Die Geschichte war eine andere, weil das Spiel nach dem Ausgleich von Naldo 1:1 (1:1) endete. Es war sogar ein glückliches Unentschieden für den FC Bayern, der sich anders als in den vorangegangenen knappen Siegen in Freiburg und Bremen diesmal nicht mehr auf den wiedergefundenen Bayern-Dusel in Kombination mit einem späten Geniestreich Lewandowskis verlassen konnte.

Die Mannschaft von Carlo Ancelotti tut sich in diesen Wochen schwer, spielerische und überraschende Lösungen gegen Mannschaften zu finden, die sich nicht nur um den eigenen Strafraum formieren, sondern versuchen, mutig mitzuspielen. "Es war ein schweres Spiel, weil Schalke gut gespielt hat. Die zwei Linien im Mittelfeld waren zu weit auseinander. Da müssen wir besser zusammenarbeiten, es ist keine Frage der Qualität. Nur am Schluss konnten wir den Druck etwas erhöhen, aber es war nicht genug", sagte Ancelotti nach dem Spiel. München fehlt momentan das Tempo, die Raffinesse und die Leichtigkeit für eine Spielweise, die den Gegner einschüchtert und die Zuschauer begeistert. Sogar ein frühes Tor half nicht. "Unser Plan wäre zu 100 Prozent aufgegangen, wenn wir gewonnen hätten. Aber wir können sehr zufrieden sein", sagte Schalkes Trainer Markus Weinzierl.

Vielmehr hatten sich die Schalker nicht vom früheren Gegentreffer irritieren lassen, begünstigt hatte hatte das natürlich der schnelle Ausgleich durch Naldo, dessen Freistoß Manuel Neuer durch seine abwehrbereiten Hände gleiten ließ - an einem normalen Tag hält der Nationaltorhüter diesen Ball sicher. Doch er wäre nicht der beste Torhüter des Planeten, wenn er sich dadurch hätte verunsichern lassen. Neuer kann einen solchen Fehler schnell aus seinem Kurzzeitgedächtnis schütteln. Gegen den Schuss von Sead Kolasinac aus kurzer Distanz riss er blitzschnell seine Fäuste hoch (17.).

Es war aber eine weitere Schalker Chance in der Partie, die in der ersten Hälfte so aussah, als hätten die Münchner und Gelsenkirchener ihre Trikots getauscht. Denn die Spieler mit den blauen Jerseys kombinierten schnell und trinkreich nach vorne, die in den roten verteidigten nur. Und das sogar nur unzureichend. In der 39. Minute hatte die mit Juan Bernat und Rafinha auf den Außenpositionen neu zusammengestellte Abwehrreihe Glück, dass Guido Burgstaller nach einer feinen Hereingabe von Kolasinac nur die Latte traf.

Dennoch hätten zwei Minuten später abermals die Münchner führen können, sie hätten einem wenig berauschenden Spiel wieder diese typische Bayern-Pointe hinzufügen können, wenn Lewandowski seinen Schlenzer nicht an die Latte, sondern ins Tor bugsiert hätte. Und Badstuber? Erhielt kurz vor der Pause Szenenapplaus - auch vom Münchner Publikum, als Thomas Müller und Robben mit einer schicken Körpertäuschung herumirren ließ wie Dick und Doof.

Martinez vergibt den Bayern-Sieg

Nach 60 Minuten klatschte Badstuber dann selber in die Hände, als er bei seiner Auswechslung vom Platz trottete. Die Zuschauer revanchierten sich mit warmen Applaus, es war wohl als Aufmunterung zu verstehen, denn sie sahen, wie der Verteidiger auf die Bank einen Verband am rechten Oberschenkel angelegt bekam.

Vom Spielfeldrand erlebte er dann mit, wie Ancelotti Lahm doch noch zu seinem 500. Pflichtspiel im Bayern-Trikot verhalf. Dem Spiel konnte aber auch der Kapitän keine schräge Wendung mehr geben. Die Partie hatte nach dem Seitenwechsel seine Spannung verloren, die Rasanz der ersten Minuten mit Torchancen auf beiden Seiten. Die Münchner konnten nicht mehr, die Schalker wollten irgendwann nicht mehr. Bezeichnend war die Szene vier Minuten vor dem Ende, als Martinez plötzlich im gegnerischen Strafraum so viel Platz hatte wie ein Wanderer auf einer Almwiese. Doch sein Schuss ging am langen Eck vorbei. Die typische Bayern-Pointe blieb Schalke also erspart.

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