Süddeutsche Zeitung

Bundesliga:Bayern spricht sich Wut zu

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Es war die Abteilung Angst-Attacke, die bei Bayern gesprochen hat und nun weiß jeder, wie nervös die Führungsebene ist. Vielleicht ist das ein Funken Hoffnung für den Rest der Bundesliga.

Kommentar von Christof Kneer

Schon erstaunlich, dass die Dozenten des FC Bayern ausgerechnet den offensichtlichsten Skandal unerwähnt gelassen haben in ihrem leidenschaftlich geführten Medienseminar vom vorigen Freitag. Zwar haben sie einige selbstverständlich verachtenswerte Beispiele für den zunehmenden Verfall der Sitten vorgetragen, unter anderem haben sie enthüllt, dass ein Reporter kürzlich eine Anfrage per Mail geschickt hat. Nicht beschwert haben sich die Bosse aber darüber, dass ein Wutanfall öffentlich übertragen wurde, der eigentlich nur in der eigenen Familie stattgefunden hat.

Denn im Grunde richtet sich der Zorn der Bayern-Titanen ja vor allem nach innen: Die wahren Ziele der wilden Rundumschläge waren erstens der Springer-Verlag, ein traditioneller Tuschelpartner des FC Bayern im Übrigen - und zweitens ein paar ehemalige Bayern-Profis wie Olaf Thon, Stefan Effenberg sowie ein Lothar Matthäus, die das Tun und Unterlassen des Klubs kritisiert hatten, ohne vorher Anfragen per Mail zu schicken.

Die Bayern sind sicher der Meinung, dass sie im Sinne ihrer Hauskultur ("Abteilung Attacke") offensiv nach draußen gegangen sind, aber wahr ist schon auch das Gegenteil: Sie haben die Öffentlichkeit auch zu sich nach Hause geholt. Die Pressebeschimpfungskonferenz grenzte an Geheimnisverrat, aber es waren die Bayern selbst, die das Geheimnis nach draußen gaben: Jeder weiß jetzt, wie nervös sie sind. So früh in der Saison haben sie schon lange keinen Joker dieser Art mehr gezogen, es war die Abteilung Angst-Attacke, die da zu hören war. Die Bayern haben sich Wut zugesprochen.

Vor allem der BVB besitzt das Potential, um den Bayern lästig zu werden

Wer in der Liga nach den Ambitionen potenzieller Bayern-Verfolger fragt, hört von wechselnden Managern seit Jahren denselben Satz. Man habe keine Chance, sagen die Manager, das Einzige, was man tun könne, sei: "da sein, falls die Bayern mal schwächeln". Noch ist die Saison zu frisch für belastbare Erkenntnisse, aber nach den jüngsten Vibrations zu urteilen, könnte zumindest vorübergehend mal beides zusammenkommen: ein FC Bayern, der erst noch entscheiden muss, wie gut er seinen neuen Trainer findet und ob der den Umbau im Team sanft oder hart vollziehen soll - und eine Gegnerschaft, die vieles richtig macht und auf kluge Trainer wie Lucien Favre (60, Dortmund) oder Florian Kohfeldt (36, Bremen) vertraut. Vor allem der junge, verheißungsvoll verstärkte BVB besitzt theoretisch das Potenzial, um den Umbruch-Bayern in nächster Zeit lästig zu werden, oder wie die Manager sagen würden: um da zu sein, falls die Bayern mal schwächeln.

Ob die Liga in dieser und vielleicht sogar in der nächsten Saison etwas spannender wird? Man könnte, wenn man sich noch trauen würde, per Mail mal eine Anfrage an den FC Bayern schicken.

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Quelle:
SZ vom 22.10.2018
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