Süddeutsche Zeitung

Bewegung in der Pandemie:"Die Menschen gieren nach Sport"

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Die Pandemie trifft auch Breitensportvereine wie den Hamburger Klub Sportspaß hart. Trotzdem herrscht dort Zuversicht, die Krise einigermaßen schadlos zu überstehen.

Von Thomas Hürner, Hamburg

Der Name war in den vergangenen Monaten nur sehr eingeschränkt Programm, dennoch: Beim Verein Sportspaß aus Hamburg herrscht Zuversicht, die Pandemie einigermaßen schadlos zu überstehen. "Per Saldo", sagt der Vorsitzende Michael Weidmann, "schauen wir positiv nach vorne." Der Blick zurück ist allerdings nicht ungetrübt.

Sportspaß ist ein ungewöhnliches Konstrukt innerhalb des deutschen Freizeitsports. Der im Jahr 1977 gegründete Verein ist seit 2016 nicht mehr Mitglied im Hamburger Sportbund (HSB) und im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), weil die zu entrichtenden Abgaben nach Ansicht der damaligen Sportspaß-Führung zu hoch waren. Was damals den Austritt aus den Dachverbänden begünstigte, ist dem Verein auch in Zeiten der Pandemie nicht fremd: ein gewisses Selbstbewusstsein aufgrund seiner schieren Größe.

Sportspaß bietet seinen Mitgliedern ein breites Spektrum an Freizeitsport-Möglichkeiten - aber ohne Wettkampforientierung und Leistungsdruck. Etwa 1500 Angebote waren es vor der Pandemie, so ziemlich alles, was man sich unter sportlicher Betätigung vorstellen kann: von Badminton über Bauchtanz, Kampfsport wie Karate, Lauftraining und Pilates bis hin zu Volleyball.

Der Verein profitiert gerade von seinen niedrigen Beiträgen

Im Frühjahr 2020 hatte Sportspaß etwa 60 000 Mitglieder, was den Verein zum bundesweit größten seiner Art machte. Daran hat sich nichts geändert, trotz erheblicher Einbußen bei den Mitgliedschaften. Der Vorsitzende Weidmann schätzt den Rückgang auf etwa zehn bis zwanzig Prozent; die genaue Zahl der Austritte lasse sich erst bei der nächsten Mitgliedererhebung beziffern, die in den kommenden Wochen durchgeführt wird.

"Wir haben deutlich Federn gelassen", glaubt Weidmann, der im Verein als Tanztrainer unter anderem Salsa-Kurse gibt. Eine hohe Mitgliederfluktuation sei normal bei Sportspaß. Nur: "Den üblicherweise etwa 1000 Austritten pro Monat stehen gerade keine Eintritte mehr gegenüber." Dass sich nicht noch mehr Menschen verabschieden, führt Weidmann auch auf die vergleichsweise niedrigen Beiträge zurück: Erwachsene zahlen für ein Monatsabo mit Kursen und Zugang zum Fitnessstudio 22,50 Euro. "Die finanzielle Belastung hält sich da für viele noch in Grenzen", glaubt Weidmann.

Natürlich haben sie versucht, das Angebot stets an die gerade geltenden Beschränkungen anzupassen: Statt Kampfsport mit Körperkontakt gab's Techniktraining, Paare tanzten auf Abstand, und bei gutem Wetter wurde - wenn möglich - alles nach draußen verlagert. Während der Lockdowns, die Sport mit persönlichem Kontakt verhinderten wurden Online-Kurse "aus dem Boden gestampft" (Weidmann): Yoga, Ausdauertraining, Bauch-Beine-Po-Übungen für Zuhause.

Als Sport für kurze Zeit wieder möglich war, gab es einen Boom

Die Koordinierung aller Angebote sei zeitweise "der Wahnsinn" gewesen, sagt Weidmann, weil bei jeder Sportart individuelle Lösungen gesucht werden mussten. Für viele der freiberuflich tätigen Trainer wurde indes keine Lösung gefunden: Sie haben keine Möglichkeit zu arbeiten. Insgesamt gibt es im Verein etwa 200 Mitarbeiter, darunter Rezeptionskräfte und Handwerker. Nicht alle wurden in Kurzarbeit geschickt. Betriebsbedingte Kündigungen habe es nicht gegeben, sagt Weidmann. Eine große Herausforderung seien aber die hohen Fixkosten: Mieten für die sieben in Hamburg verteilten Sportcenter, Leasingverträge für Fitnessgeräte, Versicherungen. Finanziell sei der Verein trotzdem "gesund", versichert er.

Was den Vorsitzenden optimistisch stimmt, sind die Wochen, in denen Sport unter Berücksichtigung von Hygienemaßnahmen möglich war. "In dieser kurzen Zeit hatten wir einen echten Eintrittsboom", sagt Weidmann, der an diese Tendenz auch glaubt, wenn der Sport seine Rückkehr in die Mitte der Gesellschaft feiern sollte: "Die Menschen gieren nach Sport - und das werden sie jetzt mehr denn je."

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