Süddeutsche Zeitung

Boxen:Ein Punkt mehr

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Tyron Zeuges Duell mit dem Italiener Giovanni De Carolis liefert einen Einblick ins kuriose Regelwerk. Am Ende verliert das Talent gegen den WBA-Weltmeister im Supermittelgewicht und muss nun eine Operation fürchten.

Von Benedikt Warmbrunn, Berlin/München

Der Weltmeister legte die Stirn in Falten, als Weltmeister wusste er ja, wie eng dieser Kampf war, der nun zu Ende ging. Zwölf intensive Runden, zwei Boxer, die eine mitreißende Paarung ergaben, ein filigraner Techniker gegen einen zähen Schläger. Nun ging der Kampf in seine letzten Sekunden, der Weltmeister klatschte in die Hände, er hörte den letzten Gong. Ein paar Minuten später wusste Jürgen Brähmer, der Weltmeister, dass es ihm nicht gelungen war, Tyron Zeuge ebenfalls zum WM-Titel zu verhelfen.

Es war eine ungewöhnliche Konstellation an diesem Samstagabend in Berlin. Zeuge forderte Giovanni De Carolis heraus, den WBA-Weltmeister im Supermittelgewicht. Für die Vorbereitung nahm er sich als Trainer den aktuellen WBA-Weltmeister im Halbschwergewicht, Jürgen Brähmer. Als Doppel-Weltmeister wollten sie die Halle verlassen, der 24 Jahre alte Zeuge zudem als jüngster deutscher Champion der Geschichte. Das wird er nicht mehr werden; jüngster deutscher Profiweltmeister bleibt Graciano Rocchigiani, der damals acht Tage älter war als Zeuge am Samstag.

Zeuge hatte engagiert gekämpft und angedeutet, dass es kaum einen Boxer in Deutschland gibt, der so schnell und vielseitig schlagen kann. Am Ende jedoch traf De Carolis häufiger und stärker. Da war Zeuge aber geschwächt durch eine Blessur der linken Schulter: "Ich konnte meinen Arm kaum noch bewegen. Die Schmerzen wurden von Runde zu Runde schlimmer."

Das Urteil änderte nichts an der Titelverteilung, es lieferte aber immerhin einen Einblick in das Regelwerk des Boxens. Zwei Punktrichter hatten den Kampf 114:114 gewertet, einer 115:114 für Zeuge. Es zählt jedoch die Wertung, die am häufigsten vergeben wird - also ein Unentschieden. Und obwohl Zeuge einen Punkt mehr erhalten hatte, bleibt De Carolis Weltmeister - zur Titelverteidigung reicht ein Remis. Dass die Punktrichter nicht ohnehin De Carolis vorne sahen, kritisierte zum Beispiel Rocchigiani, für den der Italiener der "klare Sieger" war. Zeuge droht nun eventuell eine Operation an der Schulter. Danach darf er auf einen Rückkampf gegen De Carolis hoffen - falls dieser dann noch Weltmeister ist.

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Quelle:
SZ vom 18.07.2016
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