Süddeutsche Zeitung

Borussia Mönchengladbach:Therapie mit Eisbeutel und Gänsehaut

Lesezeit: 3 min

Borussia Mönchengladbach fegt mit 4:0 über Greuther Fürth hinweg - auch weil Jonas Hofmann einen neuen Appetit auf Tore entwickelt hat und auf persönlichem Rekordkurs liegt.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

In der Pause fand sich Jonas Hofmann mit zwei Eisbeuteln an seinen Knöcheln in der Kabine im Borussia-Park wieder. Er hatte ein bisschen was abbekommen in der ersten Halbzeit, und es sah nicht gerade gut aus. Hofmann, Borussia Mönchengladbachs derzeit bester Torschütze, wirkte einer Auswechslung nahe. "Aber ich wollte unbedingt noch ein Tor schießen", erzählte er später gut gelaunt, "und wegen zwei so Kratzern gehe ich doch nicht raus!"

Am vergangenen Sonntag hatte der 29-Jährige beim Sieg der deutschen Nationalmannschaft den Treffer zum 4:1-Endstand in Armenien erzielt. Offenbar hat das seinen Appetit auf Tore nur noch verstärkt, denn auch in der ersten Halbzeit gegen die Spielvereinigung Greuther Fürth hatte er bereits getroffen und mit dem ersten Tor den 4:0 (3:0)-Sieg eingeläutet. Aber Hofmann wollte noch mehr.

Das Eis an den Knöcheln half. Und so erzielte Hofmann in der 57. Minute tatsächlich noch ein zweites Tor. Es bedeutete den Endstand gegen harmlose Fürther Gäste. Seinen Bundesliga-Tor-Rekord von sechs Treffern aus der vergangenen Saison hat der gebürtige Heidelberger damit bereits eingestellt. Und bester Torschütze der offensiv keineswegs schlecht besetzten Gladbacher ist er momentan eben außerdem. Mit Hofmanns Hilfe wollen sich die nur mau in die Saison gestarteten Borussen so langsam wieder im oberen Drittel etablieren. Drei Punkte sind es jetzt nur noch bis zu einem Champions-League-Platz. "Aber was wir wirklich brauchen", sagt Hofmann, "das ist Konstanz."

Die Fürther ignorieren gegen Gladbach jegliche Absicherung

Aus dem Kantersieg gegen den Tabellenletzten war nicht sehr viel herauszulesen. Dazu spielten die Fürther zu wenig auf Augenhöhe mit dem Gegner. "Mönchengladbach war uns in allen Belangen überlegen", bekannte Trainer Stefan Leitl. "Von so einer Mannschaft können wir viel lernen."

Jeder Hinweis, sie könnten im kommenden Frühjahr womöglich den historisch schlechten Bundesligarekord von Tasmania Berlin (zwei Siege, vier Unentschieden, 15 Tore) aus dem Jahr 1966 knacken, weckt bei den Franken aber offenbar das trotzige Bedürfnis, mit den besten Mannschaften munter mitspielen zu wollen. Zu beobachten war dies am Samstag, als die Fürther um Ballbesitz erpicht und an der Torannäherung rege interessiert waren. Allerdings ignorierten sie bei ihrer fröhlichen Mutprobe jegliche Absicherung. Nach Ballverlusten kamen sie nicht schnell genug zurück und boten den Gladbachern dankbare Gelegenheiten zum Spiel durch die Nahtstellen sowie in den Rücken der Abwehr.

Drei Mal schlug es schon in der ersten Halbzeit im Tor der Gäste ein. Hofmann (9.), Florian Neuhaus (28.) und Alassane Plea (43.) entschieden das Spiel bereits vor der Pause. Skurril war der zweite Treffer, vor dem der Torwart Marius Funk etwa fünf Meter links neben seinem Tor einen Befreiungsschlag landen wollte, den Ball aber flach derart exakt auf den Gladbacher Neuhaus spielte, dass dieser aus rund 25 Metern direkt ins leere Fürther Tor einschießen konnte.

Gladbach profitiert von zwei Schiedsrichter-Entscheidungen

Die zweite Halbzeit hätte den Gästen ein bisschen Linderung verschaffen können, doch der Schiedsrichter Benjamin Brand entschied in zwei brenzligen Situationen zweimal gegen die Fürther. Zunächst verwehrte er ihnen in der 50. Minute nach eigenem Video-Studium einen Elfmeter, den Gladbachs Denis Zakaria an Jamie Leweling verübt hätte. Die Szene war schon strittig, aber noch deutlicher erschien das Foul, das Gladbachs Kapitän Stindl in der 57. Minute im Vorfeld des vierten Treffers am Fürther Paul Seguin beging. Stindl schickte Hofmann zum 4:0 und dessen zweitem Treffer, doch seine Balleroberung sah schon ziemlich regelwidrig aus.

Drei Treffer bereitete Stindl am Samstag vor, aber bester Spieler dieser Mannschaft ist zurzeit Hofmann. "Er hat einen irrsinnig guten Lauf", sagte hinterher sein Trainer Adi Hütter über ihn, "er strotzt vor Selbstvertrauen und ist ein Schlüsselspieler für uns, weil er viel investiert und ein dolles Gespür hat." Damit meinte Hütter auch die Flexibilität, die die drei Angreifer Hofmann, Stindl und Plea zeigen. Sie rochieren nach Gefühl und entwickeln daraus eine schwer auszurechnende Torgefahr. Sechs Scorerpunkte haben sie zum 4:0-Sieg beigesteuert.

Für Hofmann soll aber noch lange nicht Schluss sein. "Ich hoffe, da kommt noch ein bisschen was", sagte Hütter lächelnd über Hofmann. Vielleicht schon am kommenden Samstag. Dann gastieren die Gladbacher beim 1. FC Köln - für die Fans das wichtigste Spiel der Halbserie. "Das haben sie uns nach dem Schlusspfiff direkt klar gemacht", berichtete Hofmann am Samstag von der Verabschiedung vor dem Fanblock. "Ich hatte eine Gänsehaut." Erst Eisbeutel, dann Gänsehaut - die Gladbacher Therapie schlägt bei Jonas Hofmann gerade voll an.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5468984
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.