Süddeutsche Zeitung

Biathlon-Team vor neuer Saison:Sogar mit neuem Hund

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Dopingfall Sachenbacher-Stehle, eine historische Staffelniederlage, kritische Worte von Magdalena Neuner und eine hässliche Trainerdebatte: Das deutsche Biathlon-Team startet in den neuen Olympia-Zyklus - und vieles ist nun anders.

Von Volker Kreisl, Oberhof

Als Miriam Gössner zuletzt in Oberhof vor den Medien saß, lag Schnee. Es war Januar, und sie war damals noch voller Hoffnung, bei Olympia in Sotschi dabei zu sein. Vor dem Weltcup glaubte sie noch daran, die Folgen ihrer schweren Rückenverletzung zu überwinden. Dann aber folgte ihre tränenreiche Aufgabe. Nun saß sie zum traditionellen Medientag erstmals wieder vor Mikrofonen in Oberhof, und fast alles war neu. Gössner hat viele neue jüngere Kolleginnen, einen neuen Trainer, ein neues Konzept und einen Hund.

Buddy, den Australian Shepherd, hatte ihr nach dem Rückschlag im Januar Lebensgefährte Felix Neureuther zum Trost geschenkt. Buddy war noch ein Welpe und Gössner erzählt, dass er sie sofort auf andere Gedanken gebracht hatte: "Da war ja mit einem Schlag viel zu tun." Nicht zu erahnen war seinerzeit, dass die Mannschaftsführung des Deutschen Skiverbandes im Verlauf des restlichen Olympiawinters eine ganze Ladung weiterer Trostbuddys hätte brauchen können. Das Team der Frauen erlebte in Sotschi eine Serie von Fehlschlägen, den Dopingfall Sachenbacher-Stehle, eine historische Staffelniederlage, danach weitere Verletzungen und schließlich eine Trainerdebatte mit teils hässlichen Vorwürfen.

In deren Verlauf hatte unter anderem Rekordweltmeisterin Magdalena Neuner angedeutet, die Trainer hätten den jungen Biathletinnen fahrlässig zu viel zugemutet. Mit Kritikerin Neuner, die zuletzt "verkrustete Strukturen" im deutschen Biathlon beklagt hatte, ist in zwei Wochen ein Treffen in Wallgau geplant.

Teils traumatisierte Läuferinnen

Auch solch eine Debatte hatte es im deutschen Frauenbiathlon noch nie gegeben, und auch nicht einen so radikalen Neuaufbau. Für die Biathlonteams ist mit Karin Orgeldinger eine neue Sportdirektorin zuständig. Statt Ricco Groß, im Zuge der Sotschi-Aufarbeitung zum leitenden Trainer des zweitklassigen IBU-Cups versetzt, übernimmt der Ruhpoldinger Tobias Reiter den zweiten Bundestrainerposten. "Tobias hat viel mit Junioren gearbeitet und große Erfahrungen mit dem Training in diesem Alter", sagt Gerald Hönig, der andere Frauen-Bundestrainer.

Einen neuen Coach, den Ruhpoldinger Andi Stitzl, hat der DSV nach dem altersbedingten Rückzug von Fritz Fischer auch für den A-Kader der Männer ernannt. Welpen für die doch teils traumatisierten Läuferinnen gab es zwar nicht, dafür hat man sich ein umfangreiches neues Konzept ausgedacht.

Mit dem neuen Plan, den Orgeldinger, der Sportliche Leiter Björn Weisheit und der Trainerstab entwickelt haben, soll grob gesagt künftig alles verhindert werden, was in Sotschi schieflief. Man hat es im Hinblick auf die Spiele 2018 in Pyeonchang schon jetzt mit vielen jungen und unerfahrenen Athleten zu tun. Denen will man diverse Hilfen anbieten, individuelleres Training, viel Ansprache bei Problemen, nicht nur durch die Trainer, psychologische Unterstützung und schließlich auch mehr Informationen zur Ernährungsberatung, speziell zur Zulässigkeit von zuweilen exotischen Nahrungsergänzungsmitteln. Das Dopingmittel Methylhexanamin, das in Sachenbacher-Stehles Probe gefunden wurde, war in einem Tee enthalten.

Sachenbacher-Stehle wartet derzeit noch auf eine Entscheidung des Cas, sie hofft auf eine deutliche Reduzierung ihrer Zwei-Jahres-Sperre durch den Weltverband IBU; wann das Urteil kommt, ist offen. Ähnlich ungewiss ist die Leistungsstärke der deutschen Biathletinnen um Miriam Gössner. Die Garmischerin ist noch dabei, ihre lange Wettkampfpause mit Grundlagentraining aufzuarbeiten.

Der Weg ist noch weit

Die anderen (Laura Dahlmeier, Franziska Hildebrand und Franziska Preuß) sagen, sie hätten aus Sotschi kein Trauma mitgenommen. Die als Staffel-Startläuferin gestürzte und hoffnungslos zurückgefallene Preuß sagt: "Das war schon echt schlimm, aber irgendwann sagst du dir, eine schlechtere Erfahrung kannst du immerhin nicht mehr machen." Das klingt einerseits nach genügend innerer Ruhe, andererseits auch nach der Einsicht, dass der Weg noch weit ist.

Preuß ist 20 Jahre alt, aber sie ist auch schon Jugend-Olympiasiegerin und bei weitem nicht die Unerfahrenste im Team. Luise Kummer, 21, Marie Heinrich, 19, Annika Knoll, 20, und Vanessa Hinz, 22, sind hauptsächlich den Fans der örtlichen Vereine in Frankenhain, Großbreitenbach, Friedenweiler und Schliersee bekannt. Doch das Quartett trainiert schon jetzt in der Lehrgangsgruppe mit den Besten und soll bald im Weltcup zum Einsatz kommen. Die Neuen sollen genügend Erfahrung haben, auch mit schweren Niederlagen, falls sie in Pyeongchang 2018 zum Einsatz kommen.

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Quelle:
SZ vom 12.09.2014
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