Süddeutsche Zeitung

Biathlon in Oberhof:Ätschibätsch, ihr könnt mir gar nichts!

Lesezeit: 2 min

Von Saskia Aleythe, Oberhof

Martin Fourcade konnte nicht widerstehen. Es kitzelte ihn, wie die drei Norweger da neben ihm standen am Schießstand und gerade erst mit dem Losfeuern begannen, während er schon fertig und mit insgesamt einem Fehler durchgekommen war. Gewöhnliche Biathleten spurten danach sofort los auf die Schlussrunde, doch gewöhnliche Biathleten werden auch nicht sechsmal Weltcup-Sieger wie Martin Fourcade. Statt loszuspurten, drehte er sich noch einmal zu seinen Konkurrenten um und schaute kurz demonstrativ zu, mit einer Geste, die sagte: Ätschibätsch, ihr könnt mir gar nichts!

Der 29 Jahre alte Franzose ist ein besonderer Ehrgeizling und in Oberhof seinem Lieblings-Konkurrenten aus vergangenen Tagen wieder ganz nah gekommen: Emil Hegle Svendsen, auch so ein Ehrgeizling. Im Sprint am Freitag war Svendsen auf Rang zwei gelaufen - hinter Fourcade - und hatte danach im norwegischen Fernsehen ein Interview gegeben, das der Franzose eher mittelmäßig fand. "Er hat gesagt, ich würde die Norweger fürchten", erklärte Fourcade seine Geste im Verfolgungsrennen, "ich habe allen Respekt vor ihnen, und sie können mich in jedem Rennen schlagen. Aber ich fürchte sie so wenig wie sie mich." Ist da jemand gereizt vor Olympia? Alles halb so wild, meinte Tarjei Bö, der in der Verfolgung Dritter wurde: "Wir sind alle Freunde. Wir lieben es, das Publikum zu unterhalten. Hier geht es nicht nur um Sport, sondern auch um mentale Spielchen. Ich gebe Martin auch mal einen Spruch mit, um zu sehen, wie er reagiert."

Die Norweger und der Franzose kennen und schätzen sich seit Jahren, in der aktuellen Saison führt Fourcade den Weltcup wieder einmal an, dahinter: die Brüder Johannes Thingnes Bö und Tarjei Bö auf Rang zwei und fünf, Svendsen mit nur fünf Einsätzen auf Rang 13. Mit Svendsen verbindet Fourcade eine besondere Rivalität, die trotzdem freundschaftlich geprägt ist. So sehr das eben geht, wenn man sich gegenseitig die Siege wegschnappt: 2010 hieß der Gesamtweltcupsieger Svendsen, auch danach kämpften sie viele Jahre immer um den Platz ganz oben.

Legendär ist die Verfolgung bei der WM 2013, als der Norweger Fourcade auf der Ziellinie noch überholte und Gold gewann. Während Svendsen mit gesundheitlichen Problemen zurückfiel, enteilte sein Rivale; 65 Weltcupsiege hat der Franzose mittlerweile. "Fourcade würde mehr als 100 haben, wenn es Emil nicht geben würde", sagte Johannes Thingnes Bö in Oberhof: "Emil war so viele Male vor Martin, vielleicht stört ihn das." Ganz so einig waren sie sich also doch nicht über die Spielchen von Fourcade; Bö ergänzte zu dessen Geste noch: "Ich gebe darauf nichts, aber ich persönlich hätte das niemals getan."

Dabei kann es gut sein, dass der jüngere Bruder von Tarjei Bö bei Olympia zum Triumphator wird: Läuferisch ist der 24-Jährige Fourcade und dem Rest der Konkurrenz weit überlegen. Beim Verfolgungsrennen in Oberhof legte Bö die schnellste Laufzeit hin vor Fourcade, mit einem Vorsprung von 26 Sekunden - das ist schon Ätschibätsch-Abstand. Mit zwei Fehlern mehr als der Sieger noch Zweiter zu werden, schafft nur er. "Ihm gehört die Zukunft", findet auch Svendsen, "er ist in der Form seines Lebens. Es ist schwer, ihn zu schlagen, wenn er auch noch gut schießt." Fünf Weltcup-Siege in Einzelrennen hat Johannes Thingnes Bö in dieser Saison in seiner Bilanz stehen, bei Fourcade sind es vier. Und das mit dem Schießen kriegt er bis Olympia womöglich auch wieder besser hin: Seit Frühjahr 2016 heißt sein Coach Siegfried Mazet. Und der trainierte neun Jahre lang die Franzosen.

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SZ vom 08.01.2018
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