Süddeutsche Zeitung

Biathlon:Fehlerfrei auf der Schlussrunde

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Dominik Landertinger stand für eine neue, erfolgreiche Generation in Österreichs Biathlon, bei der Heim-Weltmeisterschaft 2017 hängte er die deutsche Staffel ab - nun beendet er seine Karriere.

Von Saskia Aleythe, München

Biologisch betrachtet ist Dominik Landertinger erst 32 Jahre alt, aber wenn der Österreicher in den vergangenen Monaten früh aus dem Bett gestiegen ist, sagte ihm der Körper oft etwas anderes. Wie ein 65-Jähriger fühle er sich nach einem harten Trainingstag, sagte Landertinger der österreichischen Nachrichtenagentur APA, und als Rentner macht Biathlon dann doch nicht mehr ganz so viel Spaß. Weshalb nun auch Schluss ist mit dem ewigen Rennen und Schießen; am Sonntag gab Landertinger seinen Rücktritt bekannt. Er tat das auch deshalb, weil ihm zum Schluss noch etwas gelungen ist, woran er selber fast nicht mehr geglaubt hätte.

"Es war immer mein großer Wunsch, die Karriere gut abzuschließen", sagte Landertinger nun, das ist aber leichter gewünscht als getan, wenn man so viele Rückschläge erlebt hat wie er. Im Dezember war es wieder schlimm mit dem Körper, ein Bandscheibenvorfall vor drei Jahren quält ihn bis heute, die Laufgranate von früher musste nun kämpfen, Landertinger dachte da schon an Rücktritt. Doch irgendwie wusste der Österreicher, dass es das noch nicht gewesen sein durfte - und so rannte er im Februar bei der WM noch einmal zu Bronze im Einzel, verdrückte danach Tränen der Erleichterung. "Dank der Medaille in Antholz habe ich das Gefühl, als Sieger vom Platz zu gehen", sagte er, und das kann man ihm durchaus attestieren: Auch die letzte Schlussrunde seines Biathlon-Lebens ist ihm gelungen.

Bei der Heim-WM 2017 hängte er die deutsche Staffel ab

Landertinger war das ja immer, wenn er fit war: ein Mann der Schlussrunde. Mit 20 Jahren rannte er 2009 in Pyeongchang zum WM-Sieg, nach dem letzten Durchgang am Schießstand huschte er auf der Loipe am 35-Jährigen Ole Einar Björndalen vorbei. Landertinger war plötzlich der Shootingstar, wurde von Björndalen persönlich als sein legitimer Nachfolger auserkoren. Doch immer wieder warfen ihn Verletzungen zurück. "Ich habe mit 14 so trainiert wie ein 18-Jähriger und mit 18 wie ein 22-Jähriger, darum bin ich mit 20 auch Weltmeister geworden", sagte er nun. Er trainierte also mehr als es ihm gut tat, wurde mit großen Formkrisen bestraft. Doch wenn er sich zugestand, mehr auf das zu hören, was ihm der Körper mitteilen wollte, kamen die Erfolge. Und die erstreckten sich über seine ganze Karriere, unter anderem bei drei Olympischen Spielen: Staffel-Silber 2010 in Vancouver, Bronze mit der Staffel und Silber im Sprint 2014 in Sotschi, Bronze im Einzel 2018 in Pyeongchang. Dazu fünf WM-Medaillen, am eifrigsten umjubelt die bronzene von der Heim-WM 2017 in Hochfilzen.

Hochfilzen, das war damals eine Parallelwelt gewesen: In St. Moritz feierten die alpinen Skifahrer ihre WM, da schauten in Österreich nur die Liebhaber zum Biathlon. Und Landertinger brachte ihnen am vorletzten WM-Tag, vor 22 000 Zuschauern in seinem Heimatstadion, die ersehnte Medaille: Als Schlussläufer der Staffel hängte er den Deutschen Simon Schempp am letzten Berg noch ab. "Schlussläufer ist das grauseligste, das es gibt", sagte er danach im ORF, "da zieht es dir die Hoden bis zu den Mandeln hinauf beim letzten Schießen." Beim Laufen hatte er sie dann aber doch recht schnell wiedergefunden.

Den Biathleten Landertinger gibt es in der Szene eigentlich gar nicht, es gibt nur "den Landi", der mit seiner WM-Medaille 2009 im Massenstart dem Sport in der Alpinnation neue Glücksgefühle verschaffte, nachdem man nach der Aufarbeitung des Turiner Dopingskandals von 2006 erst mal um neue Anerkennung kämpfte. Landertinger sollte für eine neue Generation stehen, nun geht er als erfolgreichster Österreicher der Biathlon-Geschichte. Dazu beigetragen hat auch, dass er in all den Jahren immer wieder die Größten ärgerte. "Dominik und ich haben schon bei der Junioren-WM gegeneinander gekämpft", sagte Martin Fourcade auf dem Pressepodium in Antholz im Februar: "Es ist toll, zwischen den Alten und den Jungen zu sein, die uns in den Hintern treten". Fourcade hatte sich damals Gold geschnappt vor Johannes Thingnes Bö und eben Landertinger, nun ist nur der 26-jährige Norweger aus dem Trio von Südtirol noch im Biathlon-Zirkus dabei. Aber die schnellste Schlussrunde an diesem Tag hatte Bö nicht: Die rannte Dominik Landertinger.

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SZ vom 21.04.2020
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