Süddeutsche Zeitung

FC Schalke in der Bundesliga:Höwedes und Meyer kriechen in kleinen Ecken unter

Lesezeit: 3 min

Von Christof Kneer

Benedikt Höwedes war dabei, als der Bus der deutschen Nationalmannschaft an einem frühen Morgen im Juni 2014 auf das Floß rollte, das Deutschlands Fußballer über den Joao de Tiba hinüber auf jenes exzellente brasilianische Halbinselchen brachte, auf dem das bis heute sagenumwobene Campo Bahia steht. Spiel für Spiel haben sich die Deutschen dann vom Floß ans Festland und wieder zurück liefern lassen, ein paar Wochen später waren sie alle miteinander Weltmeister, Höwedes inklusive.

Benedikt Höwedes war nicht dabei, als der Bus der deutschen Nationalmannschaft an einem späten Nachmittag im Juni 2018 vom Moskauer Flughafen Vnukovo hinaus auf die Stadtautobahn rollte und erst Halt machte, als Stadt und Autobahn längst nur noch ein Gerücht waren.

Er war nicht dabei, als es da draußen plötzlich einen von einer Plattenhaussiedlung umstandenen Birkenwald zu sehen gab, wobei das vielleicht auch umgekehrt war. Nur dreimal haben die Deutschen dann ihr inzwischen ebenfalls sagenumwobenes Quartier in Watutinki verlassen, eine kurze Vorrunde lang. Dann waren sie alle miteinander ausgeschieden.

Höwedes, 30, müsste also so etwas wie ein Gewinner dieses Sommers sein. Er ist weiterhin Weltmeister, er hat nicht gegen Mexiko und Südkorea verloren, und sein Name fällt niemandem ein, wenn die Weltmeister von Rio nun alle miteinander für unverschämt und unfähig erklärt werden. Ob Höwedes aber tatsächlich als Gewinner durchgeht, ist mindestens Geschmackssache. Er hat seine Moskau-Reise ja noch vor sich. In Rom hat er gerade einen Dreijahresvertrag unterschrieben, für keinen römischen Klub allerdings, sondern für Lokomotive Moskau.

Etwa fünf Millionen Euro sollen die Russen an Schalke 04 überweisen, Höwedes' Herzensklub, für den der einstige Herzbube allerdings schon ein Jahr nicht mehr gespielt hat. Nach einem Zerwürfnis mit dem sehr freundlichen, aber eben auch sehr entschlossenen Trainer Domenico Tedesco hatte sich Höwedes für eine Saison an Juventus Turin ausleihen lassen, was aus Sicht des Spielers erst mal wie eine coole Geschichte klang.

Na, du junges Trainerchen, merkst du eigentlich, für wen ich hier spiele? Für Juve! Für einen Verein, der berühmt ist für sein herausragendes Verteidigen! Und für die bin ich anscheinend ja gut genug ...

Diese coole Geschichte hat Benedikt Höwedes am Ende allerdings doch nicht erzählen können. Er war nicht zu schlecht für Juventus, das nicht, es war eher so, als sei er gar nicht richtig dort gewesen. Er war immer wieder verletzt, selten konnte er mal ein paar Spiele am Stück und sich damit unverzichtbar machen, nie hatte er die Chance, auf 25 Pflichtspiele zu kommen - und nur in diesem Fall wäre jene Kaufoption aktiviert worden, die seinem Leihvertrag angehängt war. Nach Schalke zurück konnte er auch nicht, dort ist ja immer noch jenes Trainerchen im Dienst, das sich zu allem Überfluss als gut erwiesen hat.

Also ließ Höwedes seine Berater einen neuen Arbeitgeber suchen, der idealerweise zweierlei zu bieten haben sollte: ein Gehalt, das eines Weltmeisters, der gerade bei Juventus Turin war, würdig ist - und eine sportliche Perspektive, die eines Weltmeisters, der gerade bei Juventus Turin war, ebenfalls würdig ist. Natürlich hatte Höwedes bald Angebote aus jener Ecke der englischen Premier League vorliegen, in der die Klubs Bournemouth oder Fulham heißen und am Ende André Schürrle ausleihen. Aber in der Champions League spielt halt doch keiner von denen - dorthin wollte Höwedes aber ausdrücklich. Lokomotive Moskau spielt in der Champions League.

Seit der Fußballmarkt vor zwei, drei Sommern angefangen hat, komplett durchzudrehen, scheint "Fußballprofi" ein besonders guter Lebensentwurf zu sein, es gibt viel zu viele Vereine, die viel zu viel Geld zu verteilen haben. Die irren Ablösesummen können den Spielern dabei herrlich egal sein, damit sollen sich die Klubs rumschlagen - Hauptsache, Gehalt, Prämien und Handgelder liegen im herrlich unanständigen Bereich.

Allerdings zeigen zwei Transfers der letzten 24 Stunden, dass dieser verführerische Markt auch eine gemeine Seite hat. Während Höwedes zwar in keiner führenden Liga, aber immerhin in der Champions League gelandet ist, muss sein ehemaliger Schalker Kollege Max Meyer jetzt, obwohl ablösefrei, bei Crystal Palace unterkriechen - in einer führenden Liga, aber eben nicht bei einem Klub, der nach artgerechter Haltung für einen 22-jährigen angeblichen Topspieler klingt, der mit der DFB-Olympia-Auswahl 2016 in Rio die Silbermedaille gewann.

Vor allem Meyers Beispiel zeigt, dass auch der neue Markt nicht alles mit sich machen lässt. Meyers Berater haben den Wert ihres Spielers auf diesem Markt offenkundig überschätzt, sie haben ihn erst mal kühn in der Real-oder-Barcelona-Dimension veranschlagt und ihm dann immer mehr Downgrades verpassen müssen, über Leipzig und Hoffenheim bis hin zu Crystal Palace. Von dort muss Meyer nun zuschauen, wie Joachim Löw wohl gerade auf seiner Position - im zentralen Mittelfeld - mit einem Neuaufbau beginnt.

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Quelle:
SZ vom 02.08.2018
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