Süddeutsche Zeitung

Beachvolleyball:Von Funktionären ausgebootet

Lesezeit: 3 min

Von Felix Meininghaus

Die Frage waberte tagelang wie morgendlicher Nebel am Strand durch die Szene der Beachvolleyballer: Wo waren eigentlich Behrens/Tillmann in Gstaad? Tatsächlich war es selbst für Insider kaum ersichtlich, dass Kim Behrens (26) und Cinja Tillmann (28) in der Woche, nachdem sie bei der vielbeachteten WM der Beachvolleyballer in Hamburg auf Rang 17 gelandet waren, nicht beim Fünf-Sterne-Event des Weltverbandes FIVB in den Schweizer Bergen aufliefen. Dabei war das Duo in der Teilnehmerliste verzeichnet und hätte sogar seine Startberechtigung im Hauptfeld gehabt.

Doch dazu kam es nicht. Der Deutsche Volleyball-Verband (DVV) hatte andere Pläne und meldete das Duo kurzerhand ab. Behrens/Tillmann waren von den Funktionären bereits in Warschau ausgebootet worden und werden beim prestigeträchtigen Turnier in Wien ebenfalls unfreiwillig zum Zuschauen verurteilt sein. Der Grund ist simpel: Beim Verband baut man nicht auf sie, sondern auf die vier Nationalteams. Obwohl Behrens/Tillmann aktuell laut Rangliste das viertbeste deutsche Duo sind. Die beiden Athletinnen aus Bremen und Münster empfinden das als "krasse Ungerechtigkeit", wie Behrens betont: "Als Athletin muss ich vor jeder Saison unterschreiben, dass ich mich an die Regeln des Fair Play halte. Und dann werde ich so behandelt."

Das Duo will das nicht hinnehmen und hat mit anwaltlicher Hilfe rechtliche Schritte eingeleitet. Nähere Details mag Kim Behrens nicht benennen, "weil es sich um ein laufendes Verfahren handelt". Am Pranger stehen der DVV und sein Sportdirektor Niclas Hildebrand. Der betont, bei seinem Arbeitgeber sei "noch nichts eingegangen, meines Wissens befinden wir uns also nicht in einem Rechtsstreit".

Das könnte sich schnell ändern. Hildebrand berichtet zwar von diversen Gesprächen mit den Athletinnen, "doch an einem bestimmten Punkt kommen wir nicht weiter". Und zwar an dem, dass der DVV auf dem Recht beharrt, bei der Nominierung das letzte Wort zu haben. "Mein Job ist es, den Erfolg bei Olympischen Spielen abzusichern", betont Hildebrand, "weil daran staatliche Fördergelder gebunden sind, die für unseren Verband überlebenswichtig sind". Um das zu gewährleisten, "muss ich nicht der fairste Sportdirektor sein".

Bei seiner Expertise hat Hildebrand die beiden Abwehrspielerinnen Behrens und Tillmann, die sich vor der Saison aus der Not heraus fanden, weil Behrens Ex-Partnerin Sandra Ittlinger zu Nationalspielerin Chantal Laboureur wechselte, nicht auf dem Schirm: "Das mag hart klingen", so Hildebrand, "aber in unserer Analyse sind wir zu dem Schluss gekommen, dass wir ihnen langfristig nicht zutrauen, die Qualifikation für die Olympischen Spiele zu schaffen und dort um eine Medaille mitzuspielen." Vielmehr müsse er darauf achten, dass die vom DVV geförderten Nationalteams in den Genuss der besten Startbedingungen kommen. Zum Beispiel, indem Behrens/Tillmann abgemeldet werden, um anderen deutschen Teams das ungeliebte Prozedere des sogenannten Country Quota zu ersparen, bei dem Teams aus einer Nation in einer Vor-Qualifikation gegeneinander antreten.

Das mögen die Spielerinnen nicht hinnehmen und fordern einen freien Wettbewerb. Kim Behrens verweist darauf, dass sich die besten Brasilianerinnen und sogar die dreifache Olympiasiegerin Kerry Walsh aus den USA dem Country Quota stellen. Einen solchen Vergleich lässt Hildebrand nicht gelten: "Diese Nationen haben eine größere Leistungsdichte als wir. Die können sich diesen Luxus leisten. Wir fördern dagegen nur Teams, denen wir Erfolge auf höchstem Niveau zutrauen."

Das sehen Kim Behrens und Cinja Tillmann natürlich völlig anders. "Der DVV greift komplett in unsere Karriere ein", sagt Kim Behrens, die bei der Polizei beschäftigt ist und für ihre Aktivitäten als Beachvolleyballerin vom Dienst freigestellt wird. Das Duo erhofft sich zumindest eine finanzielle Entschädigung, die auf dem Weg zur Qualifikation für die Olympischen Spiele in Tokio "so wichtigen Punkte kann uns ohnehin niemand wiedergeben".

Nach den Querelen um das Team Karla Borger und Margareta Kozuch, die vor zwei Jahren die Szene der Beachvolleyballer in Wallung versetzen, hat der DVV also erneut einen hausgemachten Streit. Erneut geht es darum, dass sich ein Team diskriminiert fühlt und sich zur Wehr setzt. Doch während es damals eine gütliche Einigung gab, könnte die Angelegenheit dieses Mal grundsätzlich geklärt werden.

Der Kernpunkt, um den sich die Auseinandersetzung dreht, ist folgender: In welchem Maße muss ein Verband bei seiner Nominierung die Einzelschicksale von Athleten berücksichtigen, auf die er zwar nicht setzt, die sich jedoch als Profis definieren, die im Kampf um Preisgelder und Ranglistenpunkte Gleichberechtigung einfordern? Es deutet einiges darauf hin, dass diese Frage nicht am Strand, sondern von einem Richter beantwortet wird.

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