Süddeutsche Zeitung

FC Bayern:Eine Abwehr voller Fragezeichen

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Den FC Bayern plagen in der Defensive Personalsorgen. Trainer Hansi Flick hat zwar genaue Vorstellungen, wie man die Probleme beheben könnte - hätte dafür aber gerne einen neuen Spieler.

Von Benedikt Warmbrunn

Die Zukunft in der Abwehr des FC Bayern trägt möglicherweise in der Gegenwart die Rückennummer 37. Die 37, das ist die Nummer von Bright Akwo Arrey-Mbi, er gilt als schnell, robust, risikofreudig, er gilt allerdings auch als sehr jung, dabei wird er im März schon 17 Jahre alt. Bright Akwo Arrey-Mbi könnte also durchaus ein Kandidat für den Kampf um die Stammplätze in der Abwehr des FC Bayern im Winter 2023 sein, vielleicht auch im Sommer 2022. Doch auf all die ungeklärten Fragen im Januar 2020 ist er noch nicht die Antwort.

An diesem Samstag fliegt der FC Bayern für sechs Tage ins Trainingslager nach Doha, mit 26 Spielern, einer davon ist der 16 Jahre alte Bright Akwo Arrey-Mbi, und man tritt ihm vermutlich nicht zu nahe, wenn man annimmt, dass er in München geblieben wäre, wenn die Abwehr gerade nicht mit so vielen Fragezeichen versehen wäre. Niklas Süle und Javier Martínez fliegen nicht mit nach Katar, sie trainieren in München, genauso wie Außenstürmer Kingsley Coman und Angreifer Robert Lewandowski, der nach seiner Leistenoperation erst am Dienstag in München zurückerwartet wird. Die Offensive bereiten den Münchnern aber wenig Sorgen, bei Lewandowski erwarten sie im Klub, dass er dennoch zum Rückrundenauftakt am 19. Januar bei Hertha BSC fit sein wird; auch Coman wird wohl nicht lange fehlen. Ganz anders ist die Lage in der Abwehr. In Doha wird Trainer Hansi Flick mit Bright Akwo Arrey-Mbi und sieben weiteren Verteidigern arbeiten, doch wer wo wie spielen wird, das ist alles noch ziemlich offen.

Als sie im Klub im Sommer ihren Kader gebaut haben, war die Flexibilität der Spieler ein Kerngedanke, jede Position sollte doppelt oder dreifach besetzt sein - ohne dafür gleich die Anzahl der Spieler verdoppeln oder gar verdreifachen zu müssen. In der Hinrunde hatte das dann so funktioniert, dass der Trainer Flick und auch schon sein Vorgänger Niko Kovac bei einigen Spielern Umdeutungen vorgenommen haben: Aus dem Flügelstürmer Alphonso Davies wurde der Linksverteidiger Davies, aus dem Linksverteidiger David Alaba der linke Innenverteidiger Alaba, und aus dem Rechtsverteidiger Joshua Kimmich der defensive Mittelfeldspieler Kimmich, immer häufiger zumindest. Doch diese umgedeutete Defensive ist auch eine undefinierte, eine Stammabwehr hat sich immer noch nicht gefunden. Eine Vorbereitung sei "enorm wichtig für eine Mannschaft, weil du Abläufe besser trainieren kannst", hat Flick vor dem Abflug gesagt, und einspielen müssen sich die Abläufe vor allem in der Abwehr.

Den umgedeuteten Alaba hat Flick vor wenigen Tagen im kicker als "Abwehrchef" geadelt, ihm hat anschließend auch niemand widersprochen. Doch wenn Alaba jetzt Innenverteidiger bleibt, was wird dann aus Lucas Hernández? Der 80-Millionen-Euro-Rekordeinkauf war im Sommer als neuer Abwehrchef geholt worden, nach einer Operation am Sprunggelenk soll er im Trainingslager erste Einheiten mit der Mannschaft absolvieren. Aber wo soll er spielen? Als Linksverteidiger, statt Davies? Als rechter Innenverteidiger? Oder rückt Alaba in der Mitte weiter nach rechts? Und hat Flick sich nicht gerade erst dafür ausgesprochen, dass Benjamin Pavard, zuletzt als Rechtsverteidiger im Einsatz, "vor allem" auch innen verteidigen könne? In diesem Positionskarussell sind vorerst wohl nur die drei weiteren Innenverteidiger aus der Reisegruppe Doha aus dem Rennen um die Stammplätze: Chris Richards soll sich erst im Training behaupten, bei Lars Lukas Mai sehen manche Geschwindigkeitsdefizite - und bei Jérôme Boateng geht kaum einer im Klub davon aus, dass er noch lange bleiben wird.

Nach SZ-Informationen soll sich noch im Januar entscheiden, wie die Karriere des 31-Jährigen weiter verlaufen wird. Trotz eines Vertrages bis 2021 wird Boateng wohl spätestens im Sommer gehen, möglicherweise auch schon im Winter. Die Tendenz geht zu einem Wechsel nach England oder Italien, der FC Arsenal soll bereits vorgefühlt haben. Und bei Tottenham Hotspur arbeitet José Mourinho als Trainer, der Portugiese hatte bereits im Sommer 2018 bei Boateng angerufen und sein Interesse hinterlegt, damals noch in Diensten von Manchester United.

Bei einem konkreten Angebot würden die Bayern Boateng wahrscheinlich noch im Januar gehen lassen, und angesichts ihrer gerade nach innen flexiblen Verteidiger würden sie wohl auch keinen Ersatz verpflichten. Doch Flick drängt auf einer anderen Position auf eine Verstärkung: Da er Pavard auch in der Mitte sieht und Kimmich vor der Abwehr (dort habe dieser "noch mehr Potenzial"), fordert er einen Zugang für die rechte Außenseite, am besten noch im Winter. "Deshalb wäre eine zusätzliche Option rechts außen in der Abwehr sehr hilfreich", sagte er dem kicker. Ob seine Vorgesetzten diesen Wunsch erfüllen, ist allerdings noch nicht absehbar. Der bereits mit den Bayern in Verbindung gebrachte Lukas Klostermann, Nationalverteidiger von Tabellenführer Leipzig, dürfte - wenn überhaupt - erst für den Sommer ein Thema sein. Aktuell interessiert sein soll der FC Bayern aber an einer Leihe von João Cancelo von Manchester City, was nicht ganz unrealistisch erscheint, da Sportdirektor Hasan Salihamidzic an diesem Transfermodell Gefallen gefunden hat; im Sommer lieh der Klub bereits die Offensivspieler Philippe Coutinho (Barcelona) und Ivan Perisic (Inter Mailand), jedes Mal mit einer Kaufoption.

Und an der Frage, wie sehr die Wünsche von Hansi Flick erhört werden, lässt sich auch ein kleines bisschen ablesen, mit welchem Trainer der FC Bayern bereits in der Gegenwart für die Zukunft plant.

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Quelle:
SZ vom 04.01.2020
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