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Basketballer Johannes Lischka:Zwölf Kilo mehr nach Hirntumor-OP

Lesezeit: 3 min

Basketball-Nationalspieler Johannes Lischka erstaunte selbst die Ärzte, als er nur fünf Wochen nach seiner Hirntumor-Operation schon wieder in der Bundesliga spielte. Doch nun folgt die Ernüchterung: Die Folgeerscheinungen des Eingriffs gefährden seine Karriere.

Von Matthias Schmid

Am Tag nach der wundersamen Rückkehr in den Alltag hat Johannes Lischka, 26, erst einmal trainiert. Eineinhalb Stunden lang am Vormittag. Und noch mal genauso lange am Nachmittag. Eigentlich hatte Tübingens Cheftrainer Igor Perovic allen Spielern nach dem 95:78-Sieg in Hagen freigegeben. Doch Lischka ging in die Trainingshalle. Allein. Nur der Athletiktrainer war dabei.

"Es war eine extrem harte Einheit", sagt der Nationalspieler. Er wirkt unzufrieden. Richtig niedergeschlagen. Man erwartet einen anderen Gesprächspartner. Einen erleichterten, der über das erste Spiel nach einer Operation spricht, in der ein zwei Zentimeter großer Tumor über der Hirnanhangdrüse entfernt worden war. Nur 34 Tage liegen zwischen OP und Rückkehr. Niemand hätte mit einer so raschen Genesung gerechnet. "Ich habe damit auch die Ärzte überrascht", sagt Lischka.

Perovic staunte ebenfalls. "Du kannst der glücklichste Mensch der Welt sein", hat er seinem Spieler auf den Weg gegeben. Egal, was jetzt noch in seiner Karriere komme, nach der Partie in Hagen, einem gewöhnliches Bundesligaspiel, würde in seinem Leben als Sportler nichts Emotionaleres mehr folgen können, kein Titel, keine Meisterschaft. So wunderbar hatte sich auch Lischka seine Rückkehr ausgemalt.

Die Wirklichkeit sieht anders aus. "Ich bin enttäuscht, dass ich nur so kurz spielen durfte", sagt Lischka über den Augenblick, den er so lange herbeigesehnt hat. Die Begeisterung wich schnell der Ernüchterung.

Perovic schickte ihn nicht - wie er hoffte - bereits im ersten Viertel aufs Parkett, sondern erst in Minute 14. 2:43 Minuten dauerte sein Einsatz. Nach drei Fehlwürfen und drei Rebounds musste er wieder runter. "Vielleicht bin ich zu sehr Sportler, um mich über drei Minuten Spielzeit freuen zu können", sagt Lischka. Man merkt schnell, dass es stimmt, was Menschen sagen, die ihm nahe stehen. Er sei ein authentischer Typ. Jemand, der das ausspricht, was er denkt.

Ob er nicht glücklich ist, nur fünf Wochen nach der OP im Sport zurück zu sein? "Ich bin froh, dass wir gewonnen haben", entgegnet Lischka. Es klingt wie: Lasst mich doch alle in Ruhe.

Für Tübingen war es der erste Sieg nach fünf sieglosen Spielen in der Basketball-Bundesliga. Die sportliche Misere begann mit der Absenz von Lischka, der im Team der wichtigste deutsche Spieler ist und meist mehr als eine halbe Stunde auf dem Feld steht. Der 2,03 Meter große und mehr als zwei Zentner schwere Athlet hatte daher schnell gemerkt, dass etwas nicht stimmen konnte, als er im Training immer häufiger nach einer Pause verlangte. Stechende Kopfschmerzen kamen hinzu.

"Ich war so durstig, als hätte ich zwei Tage nichts mehr getrunken", erinnert er sich. Er war müde, schlapp, auch weil er oft aufs Klo musste, häufig nachts. Das war wohl das entscheidende Indiz für den Arzt, ihn zur Kernspintomografie zu schicken. Die Diagnose bekam er dann an einem Donnerstag überbracht. Er war alleine mit dem Doktor.

Nach dem deprimierenden Bulletin rief Lischka als erstes seinen Vater an. "Ich war wie gelähmt", sagt Lischka. Alles war surreal. Ein Hirntumor mit 26. Tausend Gedanken bohrten sich in seinen Kopf. Er war noch nie zuvor operiert worden. Und nun sollte vier Tage später ein sechsstündiger riskanter Eingriff folgen. Alles lief gut, ohne Komplikationen. "Ich habe keine Kopfschmerzen mehr und der Tumor ist zu 99,9 Prozent weg", sagt Lischka.

Dennoch ist sein Leben schwerer geworden. Zwölf Kilogramm bringt er mehr auf die Waage. 120 sind es jetzt. Das belastet ihn. "Ich kann nicht mehr so hoch springen und so schnell sprinten wie zuvor", sagt Lischka. Die Gründe liegen an fehlenden Hormonen, die sein Körper seit der OP nicht mehr selbst produzieren kann. Cortisol und Testosteron muss er nun zu sich nehmen. Vielleicht sein ganzes Leben lang.

"Das ist extrem frustrierend, weil ich so keine fünf Jahre Leistungssport durchhalten kann", sagt Johannes Lischka. Die Sehnen und Knochen machen das nicht mit. Er will nun mit dem Trainer reden. Er stellt seine Karriere in Frage. "Wenn ich nur zehn Minuten durchhalten kann, macht das alles keinen Sinn mehr."

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Quelle:
SZ vom 17.12.2013
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