Süddeutsche Zeitung

Basketball:Vorbild Spanien

Lesezeit: 4 min

Am Montag entscheidet die BBL, ob die Saison abgebrochen wird. Es mehren sich die Stimmen für eine Fortsetzung ohne Zuschauer. Auch weil Regressforderungen zu erwarten sind.

Von Ralf Tögel

Der Montag wird ein historischer Tag für den deutschen Basketball. Dann beraten sich die Vertreter der Basketball-Bundesliga und der 17 Vereine in einer Videokonferenz, was mit ihrer im März unterbrochenen Saison geschehen soll. Die Deutsche Eishockey Liga, die Volleyballer und auch die Handball-Bundesliga: Viele haben die Saison vorzeitig beendet. Die Fußballer aus den beiden Bundesligen wollen hingegen unbedingt zu Ende spielen, wofür die Deutsche Fußball Liga (DFL) ein Konzept vorgelegt hat. Dieses könnte vorbildhaft sein für die Basketball-Bundesliga (BBL), wie Geschäftsführer Stefan Holz findet: "Wir haben am Donnerstag den Vereinen verschiedene Modelle zugeschickt, das sollen sie jetzt mal sacken lassen. Am Montag müssen wir dann aber zu einer Entscheidung kommen. Es wäre schön, wenn ein breiter Konsens herrschen würde, und den sollten wir irgendwie hinkriegen."

Schienen die Signale lange auf Abbruch hinzudeuten, so mehren sich jetzt die Stimmen, die die Spielzeit zu einem Ende bringen wollen. Marko Pesic hat das stets befürwortet. Der Geschäftsführer des FC Bayern Basketball und einstige Nationalspieler hat aber nicht nur den Wettkampf im Blick. Er sieht vielmehr eine Chance, den Basketball insgesamt besser zu positionieren. Es gehe vorrangig nicht darum, den Titel mit den Münchnern zu verteidigen, vielmehr stehe die positive Entwicklung der vergangenen zehn Jahre auf dem Spiel. "Jetzt ist da die Frage: Sind wir in der Lage, Ideen und Szenarien zu entwickeln, in denen wir etwas auf die Beine stellen können?" Fatal wäre seiner Ansicht nach das Signal, dass es für die Basketballklubs primär darum gehe, die eigene Haut zu retten. Eine solidarische Lösung im Sinne aller, auch der Klubs, die nicht mehr weiterspielen würden, sei möglich, so Pesic.

Die abgereisten amerikanischen Profis müssten nach ihrer Rückkehr in Quarantäne

Als Beispiel für eine Fortsetzung der Spielzeit könnte Spaniens Eliteliga ACB dienen, die einstimmig ein Konzept beschlossen hat, um die Saison per Turnierformat zu beenden. Die zwölf ersten Teams der 17er-Liga werden in zwei Sechser-Gruppen an einem Ort zwei Halbfinalisten ausspielen, die dann den Meister küren. Insgesamt wären dafür 33 Partien notwendig, sofern die Gesundheitsbehörden zustimmen. Ähnliches schwebt Hermann Schüller, Geschäftsführer der EWE Baskets Oldenburg, vor. Oberstes Ziel sei, die Runde mit einem ausgespielten Meister zu beenden. Dazu gebe es mehrere Ideen. Auch einen erweiterten Playoff-Modus an zwei Spielorten, wobei man das Starterfeld begrenzen könne. Denn zwingen will man schon allein aus wirtschaftlichen Gründen keinen Klub zur Teilnahme. Acht Teams "werden wir sicher zusammenbekommen", glaubt Schüller. Zumal wohl auch andere Klubs die Saison inklusive Playoffs geplant und durchbudgetiert hätten: "Unsere Spieler sind hier und haben Verträge bis Ende Juni." Auch Pesic wäre für ein Turnierformat mit notfalls verkleinertem Feld. Wichtig sei, dass überhaupt gespielt werde, worüber "jeder entscheiden soll, so wie er kann". Nicht passieren möge hingegen, "dass acht Mannschaften spielen wollen und neun nicht und dann der Wettbewerb abgebrochen ist".

Das Gros der Klubs dürfte noch zwiegespalten sein, glaubt Stefan Niemeyer. Der Geschäftsführer von Rasta Vechta hat zuvorderst die Finanzen im Blick. Zwar gebe es in Vechta kaum Hinweise, dass Kartenbesitzer ihre Eintrittsgelder zurückfordern wollten. Angesichts der momentan herrschenden Kurzarbeit aber "steigen die Spielergehälter wieder, sobald sie spielen", so Niemeyer . Auch das Verhalten der Sponsoren sei oft noch unklar, aber das dürfte für alle Klubs sowie für die BBL gelten. Dem Vernehmen könnte es auch Regressforderungen seitens des übertragenden Senders geben. Das Fortführen des Spielbetriebs würde im besten Fall dies alles decken oder zumindest abmildern.

Die Spieler müssten sich vorbereiten, was Schüller für unproblematisch hält: "Wenn man das am Montag beschließt, wäre Zeit bis Anfang Juni, dann könnte so ein Turnier zwei, drei Wochen dauern." Den Einwurf, dass ein dann nötiges flächendeckendes Testen auf das Coronavirus nicht öffentlich vermittelbar sei, will Schuller nicht gelten lassen: "Das ist doch der Beruf der Spieler, die Vereine leben davon. Man verbietet doch auch keinem Koch in einer Großküche, dass er arbeiten darf." Zumal es ein Verlangen nach Normalität und Ablenkung in der Bevölkerung gebe. Pesic hält eine einvernehmliche Lösung für erstrebenswert: "Das müsste ein medizinisches Kompetenzteam entscheiden", die Argumente von Virologen und Hygienikern seien zu berücksichtigen. So müsste ein Genehmigungsverfahren gefunden werden, sagt Pesic, "denn das ist keine Aufgabe für uns". Unstrittig sei: "Wir dürfen keinesfalls Personen Tests wegnehmen, die sie dringender brauchen."

Es gibt auch andere Stimmen. Die Klubs aus Bayreuth und Bamberg hatten sich in der ersten Abstimmung Mitte März gegen eine Fortsetzung des Spielbetriebs positioniert. Bayreuths Alleingesellschafter Carl Steiner forderte kürzlich in einem offenen Brief offensiv den sofortigen Saisonabbruch, was nicht nur bei der BBL auf wenig Gegenliebe traf. Auch Brose-Pressesprecher Thorsten Vogt bestätigte auf SZ-Nachfrage, dass sich an der Position der Bamberger nichts geändert habe: "Eine Fortsetzung der Saison ergibt aus unserer Sicht keinen Sinn, wir sind für Abbruch."

Es gibt also für den Montag sehr viele offene Fragen. Zum Beispiel jene nach einer Rückkehr der vor Wochen abgereisten US-Profis, die, wenn sie Flüge überhaupt bekämen, erst einmal zwei Wochen in Quarantäne müssten. Wann und wo wird gespielt? Kann nachverpflichtet werden? Wo werden die Teams untergebracht?

Ob Abbruch, Geisterspiele, ein Turnierformat an einem, zwei oder drei Standorten, BBL-Geschäftsführer Holz hofft auf "Kompromissfähigkeit und Solidarität" bei den Vereinen. Er würde gerne als zweite Sportart neben dem Fußball im Betrieb bleiben: "Wir haben das nicht minder seriös als die DFL vorbereitet. Es ist alles eine Nummer kleiner, aber wir lassen uns natürlich auch hygienisch und medizinisch beraten." Wichtig sei, dass es überhaupt weitergehe, dann könnte man sich auch weiterführende Gedanken machen: "Unser Geschäft sind Spiele mit Publikum, da müssen wir wieder hinkommen."

Ein langer Weg. Denn sollte es am Montag Konsens für die Wiederaufnahme des Spielbetriebs geben, müsste natürlich noch die Politik grünes Licht geben.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4887695
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 26.04.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.