Süddeutsche Zeitung

Basketball:Von Wasserburg nach Tokio

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Angeführt von Kapitänin Svenja Brunckhorst kann sich die 3x3-Nationalmannschaft in Graz für die Olympia-Premiere der neuen Spielform qualifizieren. Nach zwei Auftakterfolgen warten nun Frankreich und die USA.

Von Mathias von Lieben

Irgendwie ist Svenja Brunckhorst dann ja doch immer wieder zurückgekehrt nach Wasserburg am Inn. In die Stadt, in die sie 2002 mit ihren Eltern gezogen ist und in der sie als zehnjährige Basketballerin überhaupt erst von den Olympischen Spielen zu träumen begann. Und in der sie mit ihrem Heimatverein, dem TSV Wasserburg, nicht nur sieben Mal die deutsche Meisterschaft, sondern auch fünf Mal den Pokal geholt und sich zur Kapitänin des Frauen-Basketball-Nationalteams entwickelt hat. Sie kam 2012 zurück, nach einem einjährigen Intermezzo in Freiburg. Und auch 2018, nach Gastspielen in Spanien und Frankreich. Und genauso war es auch Anfang Mai, kurz nach der Hochzeit ihrer Schwester in München - diesmal war sie allerdings nur zu Besuch.

Für ihren Jugendtraum von Olympia hat sie Wasserburg mitten in der Saison verlassen

Für ihren Jugendtraum von Olympia hat die 29-Jährige den TSV Wasserburg Anfang Januar mitten in der Bundesliga-Saison ein weiteres Mal verlassen, um sich voll und ganz dem 3x3-Basketball zu widmen; einer schnelleren Spielform, die in diesem Jahr ihre olympische Premiere feiert. Denn während sich das klassische Nationalteam noch nie für Olympia qualifizieren konnte, könnte Brunckhorst die 3x3-Auswahl gleich im ersten Anlauf genau dorthin führen. Voraussetzung ist ein erfolgreiches Abschneiden beim derzeit stattfindenden Qualifikationsturnier in Graz. "Die erfolgreiche Zeit in Wasserburg hat mir diese Chance auf Olympia zwar erst ermöglicht", sagt Brunckhorst heute: "Aber das wollte ich mir nicht entgehen lassen und habe deshalb alles auf die 3x3-Karte gesetzt."

Nach zwei Siegen aus den ersten beiden Spielen am Donnerstag in Graz gegen Uruguay (21:12) und Indonesien (22:9) sieht es tatsächlich so aus, als ob sich ihr Mut und die intensive, fünfmonatige Arbeit am neu geschaffenen 3x3-Bundesstützpunkt in Hannover auszahlen könnten. "Wir haben trotz der nervösen Anfangsphase gegen Uruguay hinten raus doch sehr souverän gespielt", sagt die gebürtige Niedersächsin kurz nach der zweiten Partie gegen Indonesien am Telefon: "Jetzt fehlt noch ein Sieg gegen Frankreich und wir rücken vor ins Viertelfinale." Und Tokio würde in greifbare Nähe rücken.

Entscheidend sind nun die beiden letzten Gruppenspiele am Samstag gegen Frankreich und Top-Favorit USA, von denen die deutschen Frauen zumindest eines gewinnen müssten, um sich als Gruppenzweite für das Viertelfinale zu qualifizieren. Um das Olympia-Ticket zu lösen, müssen Svenja Brunckhorst, WNBA-Spielerin Satou Sabally, Theresa Simon und Stefanie Grigoleit allerdings auch noch eins der beiden Halbfinals oder das Spiel um Platz drei gewinnen. "Wenn wir die Gruppenphase überstehen", hatte 3x3-Bundestrainer Matthias Weber aber schon vor dem Turnier prophezeit, "dann ist in der K.-o.-Runde wirklich alles drin."

Sowohl die die K.-o.-Runde als auch schon die Gruppenspiele der jeweils 20 Männer- und Frauenteams finden vor einer beeindruckenden Kulisse statt. Nicht nur weil täglich 1000 Fans die Spiele live vor Ort verfolgen können. Sondern auch, weil der österreichische Basketball-Verband auf dem zentralen Grazer Hauptplatz ein kleines 3 x 3-Stadion errichtet hat - den sogenannten "Thunderdome". Die Spiele der deutschen Frauen werden darin wie alle anderen Partien vom Spielfeldrand aus live und für alle hörbar kommentiert, ein DJ sorgt auf der Tribüne mit Hip-Hop-Beats für Festival-Atmosphäre.

Die Spiele sind physisch geprägt und sehr schnell - Faktoren, die Brunckhorst entgegenkommen

Der Spielmodus bietet sich für diese Inszenierung an. Das 3 x 3-Spielfeld ist nur halb so groß wie ein klassisches, die zwei dreiköpfigen Teams werfen auf nur einen Korb, die Spielzeit beträgt maximal zehn Minuten. Für Treffer von außerhalb der Dreipunktlinie gibt es zwei Punkte, für Treffer von innerhalb einen. Bei 21 Punkten hat ein Team das Spiel vorzeitig gewonnen. Die Spiele sind physisch geprägt und sehr schnell.

Faktoren, die dem körperbetonten Spiel von Svenja Brunckhorst sehr entgegenkommen. Auch dank ihrer Leistung lebt der Traum von Olympia für die deutschen 3x3-Frauen vorerst weiter, was in Deutschland für bisher ungekannte Aufmerksamkeit sorgt: "Ich habe lange nicht mehr so viele Nachrichten aus der deutschen Basketball-Welt bekommen", berichtet Brunckhorst, die ihr Hotelzimmer Corona-bedingt vor und nach den Spielen nur für die Trainingseinheiten im Hinterhof verlassen darf.

Bekannte Gesichter wird Brunckhorst allerdings am Samstag wieder zu sehen bekommen, wenn ihre Eltern zum entscheidenden Spieltag aus Wasserburg anreisen. Ob sie irgendwann wieder zu ihnen und ihrem Heimatverein zurückkehrt? "Mein Fokus liegt für die nächsten Jahre klar auf 3x3", sagt sie: "Die Chance, dass ich noch mal für den TSV Wasserburg spiele, ist sehr klein." Obwohl, schiebt sie noch hinterher und lacht: "Sag niemals nie."

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