Süddeutsche Zeitung

Basketball:Sehnsucht nach einem Fenster mit Aussicht

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"Die Gleichung kleiner Verein, große Probleme, großer Verein, kleine Probleme, funktioniert so nicht": Auch die Basketballer des FC Bayern haben Sorgen.

Von Ralf Tögel

Demütig werde man angesichts der herrschenden Situation. Das ist das erste, was Marko Pesic auf die Frage nach seinem Befinden in den Sinn kommt. Mitte der Woche war er bei der Münchner Tafel, die Basketballer des FC Bayern München unterstützen diese soziale Einrichtung seit längerem, da ließ sich der Geschäftsführer nicht lange bitten und legte mit Hand an. So werde Aufmerksamkeit auf die wirklich drängenden Probleme gelenkt. Allerdings blickt auch der deutsche Basketball-Meister keineswegs in eine rosige Zukunft, worum sich Pesic trotz aller Not in der Gesellschaft nun vordringlich zu kümmern hat. Die Basketball-Bundesliga (BBL) und ihre 17 Erstligavereine hatten sich kürzlich darauf geeinigt, den Spielbetrieb bis Ende April auszusetzen, mit großer Mehrheit, wie die BBL mitteilte. Pesic bezeichnet den Entschluss als den einzig logischen: "Ich sehe derzeit keinen Grund, die Liga abzubrechen, denn wir reden über einen Vorgang, den selbst die Experten nicht einschätzen können." Er habe die Hoffnung, dass sich bis Ende Juni ein Zeitfenster öffnen könnte, das die Aussicht biete, die Saison einigermaßen geordnet zu Ende zu bringen. Was man eben Ende April besser einschätzen könne als zum gegenwärtigen Zeitpunkt.

Ein Abbruch der Saison, wie von der Deutschen Eishockey Liga vorexerziert, ist für den FCB-Geschäftsführer noch keine Option: "Das war im Eishockey einfacher, sie hatten eine Abschlusstabelle der regulären Saison. Wir haben noch elf, Alba Berlin 13 und Oldenburg zwölf Spiele in der Hauptrunde ausstehen", allein deshalb sei eine gerechte Lösung schwer zu finden. Die Basketballer setzen also auf Zeit, wie das auch im Handball oder Fußball der Fall ist. Der Abbruch droht dennoch: "Die Liga wird auch dafür Szenarien vorbereiten, es geht ja nicht nur darum, wer Meister wird, sondern ob es Absteiger gibt, wer sich für welchen internationalen Wettbewerb qualifiziert, das ist nicht einfach unter einen Hut zu bringen", glaubt Pesic. Egal wie, Ende April werde man gemeinsam eine Entscheidung finden. Bis dahin gelte es, die gewonnene Zeit zu nutzen - für die Liga wie für jeden einzelnen Klub, sagt Pesic, "daran arbeiten wir jeden Tag".

Schaden hat die Liga bereits genug genommen, denn die meisten Klubs haben ihre Arbeitskräfte aus Übersee in die Heimat entlassen, viele darüber hinaus auch die Verträge mit ihren US-amerikanischen Spielern aufgelöst. Allein dieser Umstand würde die angepeilte Fortsetzung des Spielbetriebs grundlegend verwässern, denn beim Gros der Erstligisten sind dies die besten Spieler. Auch der FC Bayern hat Greg Monroe und T. J. Bray zu ihren Familien ziehen lassen, "mit der Option zurückzukehren, sollte es weitergehen", so Pesic. Alle anderen Spieler seien in München, auch der Italiener Diego Flaccadori oder der Franzose Mathias Lessort. Und alle sind gesund, so Pesic, und halten sich im Rahmen der momentanen Möglichkeiten fit. Nach Ansicht einiger Konkurrenten ist der Münchner Großklub ohnehin in einer vergleichsweise komfortablen Situation, wie etwa Claus Steiner, Aufsichtsratsvorsitzender von Medi Bayreuth, dem Nordbayerischen Kurier mitteilte; beim FCB könne man "Geld hin und her schieben". Sticheleien, die Pesic kalt lassen: "Das zeigt, dass er nicht gut informiert ist. Wir finanzieren uns seit zehn Jahren selbst, das wird auch zukünftig so bleiben." Die Fußballer hätten eigene Probleme, Pesic favorisiere es lieber, intern nach Lösungen zu suchen, anstatt die Probleme öffentlich breitzutreten.

Außerdem kämpfe er mit den selben Unwägbarkeiten wie die Mitbewerber, nur in größeren Dimensionen: "Unser Kostenapparat ist im Vergleich zu den Einnahmen prozentual wahrscheinlich gleich." Allein im Ticketing würde dem FCB bei einem Saisonabbruch ein siebenstelliger Betrag wegbrechen, "die Gleichung kleiner Verein, große Probleme, großer Verein, kleine Probleme, funktioniert so nicht". Kurzarbeit oder Gehaltsverzicht seien aber derzeit kein Thema beim FCB, genau wie ein Hilfstopf der international notierten Klubs für bedürftigere Konkurrenten, nach dem Vorbild der Champions-League-Vereine der Fußball-Bundesliga: "Ich sehe keinen Klub, der sich das leisten könnte", sagt Pesic, zumal im Fußball für Fernsehrechte ganz andere Summen aufgerufen würden. Bleibt die Hoffnung, die Saison zu Ende zu bringen, die vom Gros der Konkurrenz wie der Liga geteilt wird. "Es geht darum, wenn es irgendwie geht, zu spielen", sagt BBL-Geschäftsführer Stefan Holz. Selbst vor leeren Rängen: "Ich glaube, das wird die einzig machbare Lösung sein", glaubt jedenfalls Pesic, "besser Basketball im Fernsehen als gar nicht."

Auch die Euroleague wartet vorerst drei Wochen ab, gleichwohl ist international die Situation ungleich schwieriger - angesichts von Teams aus Spanien oder Italien. An weiterführende Planungen sei sowieso nicht zu denken, auch wenn nun die Zeit der Weichenstellung für die Zukunft bevorstehe. "Eigentlich müsste man jetzt für die beiden kommenden Spielzeiten planen, aber ich kann doch jetzt nicht seriös sagen, wie unser Kader oder unser Budget aussehen wird, welche Spieler kommen, bleiben oder gehen", erklärt der FCB-Geschäftsführer. Besonnenheit sei das Gebot der Stunde: "Von jeder Entscheidung, die du jetzt triffst, solltest du überzeugt sein, dass sie dir in der Zukunft nicht weh tut".

Und es bleibe Hoffnung, dass diese schreckliche Zeit irgendwann vorbei ist, in der sich sämtliche Prioritäten verschoben haben: "Ich denke nicht darüber nach, ob wir Meister werden, welchen Sponsor ich hole. Ich träume von einem Spiel im Audi Dome vor vollen Rängen."

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SZ vom 28.03.2020
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