Süddeutsche Zeitung

Basketball:Schatten über der Wolke

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Vor dem Saisonstart am Sonntag gegen Ulm kämpft der FC Bayern mit einigen Verletzten und den Folgen mehrerer Corona-Infektionen im Team. Trainer Trinchieri will nicht von Saisonzielen reden, Sportdirektor Pesic zeigt sich "nervös".

Von Ralf Tögel

Andrea Trinchieri wirkte nachdenklich. Als Präsident Herbert Hainer die Ziele der Basketballer des FC Bayern für die kommende Saison definierte, schaute er traurig in die Runde. Man befinde sich auf dem Weg in die europäische Spitze, das habe schon die fantastische Vorsaison gezeigt, sprach der Präsident, die Münchner hattes es beinahe in die Runde der letzten und damit besten vier Teams in Europa geschafft, ein Sieg nur hatte gefehlt. "Wir erleben im ganzen Verein diese Aufbruchstimmung bei den Basketballern, dass dieselben Ziele wie bei den Fußballern erreicht werden." Eine europäische Topadresse wollen die Bayern mittelfristig sein, dazu fehlt in der Tat nicht mehr viel, wie Hainer ausführte.

In einem Jahr soll mit dem SAP Garden, der neuen Multifunktionshalle für 11 500 Zuschauer, die passende Örtlichkeit in Betrieb gehen, der Klub ist Anteilseigner in der Euroleague und hat damit ein dauerhaftes Startrecht in der Beletage des europäischen Basketballs: "Das gibt uns Planungssicherheit." Und man habe in Trinchieri den idealen Wegbegleiter an sportlich verantwortlicher Stelle, auch die Mannschaft sei wieder verstärkt worden. Alles gut also?

Der letzte Punkt der präsidialen Einlassung war der Grund für den Missmut des idealen Wegbegleiters, denn Trinchieri "weiß nicht, mit welcher Mannschaft ich am Wochenende spielen soll". Am vergangenen Freitag hatten die Münchner in einer vage gehaltenen Pressenotiz mitgeteilt, dass es "positive Ergebnisse im Rahmen engmaschiger interner Tests auf das Corona-Virus im Team beziehungsweise im unmittelbaren Umfeld der Mannschaft" gegeben habe. Der Cheftrainer wollte nun keine Namen nennen, nicht wer verletzt ist, nicht wer infiziert ist: "Ich weiß nicht, welche Spieler ich am Sonntag zur Verfügung haben werde." Basta. Dann gastiert in Ratiopharm Ulm ein Team im Audi Dome (18 Uhr), das weniger Probleme in der Vorbereitung hatte und den Bayern daher reichlich bedrohlich erscheint.

Folgerichtig wollte Trinchieri schon gar keine Saisonziele formulieren, verglich die Spielzeit lieber mit dem Giro d'Italia: "Jeder Italiener hat ein Fahrrad, jeder kennt den Giro und es gibt viele Rennetappen. Aber von Bedeutung sei nur "das Stadion Vigarello, der Zielort in Mailand". Es ist natürlich eine extrem unbefriedigende Situation für einen Trainer, wenn ihm in der sensibelsten Phase der Vorbereitung das Personal abhanden kommt. In den letzten Wochen vor dem Saisonstart nämlich steht der Feinschliff an, dann werden die Abläufe manifestiert. Wenn dann Spieler fehlen und die Mannschaft nicht zusammen trainieren kann, wird der minutiös strukturierte Plan empfindlich gestört. Besonders wenn es neun neue Akteure zu integrieren gilt.

In den letzten Tagen der Vorbereitung steht eigentlich der Feinschliff einer Mannschaft auf dem Programm - der fehlt dem FC Bayern nun

Und das ist beim FC Bayern der Fall. Zuletzt wurde das finale Testturnier in Bayreuth abgesagt, schon vorher fehlten dem Trainer immer wieder Protagonisten. Paul Zipser befindet sich nach seiner Gehirn-OP weiter im Aufbautraining, aber auch Leon Radosevic, Othello Hunter und Nihad Djedovic plagten sich mit Verletzungen herum. Nun die Corona-Infektionen, die das Training dann sogar völlig unterbanden, wie Geschäftsführer Marko Pesic etwas Licht ins Dunkel brachte. Dabei sei das Team durchgeimpft, zudem würde der Klub zweimal pro Tag testen.

Dennoch gab es Durchbrüche, die Mannschaft musste in Quarantäne, es habe nur Einzeltraining gegeben, die erkrankten Akteure mussten aussetzen. "Wir sind vergangene Saison recht gut durch die Pandemie gekommen und haben jetzt eine komplizierte Situation, das hat uns aus dem Rhythmus gebracht." Wie solle man eine Mannschaft fit und auf Kurs halten, "wenn man nicht zusammen trainieren kann?" Diesen Trainingsrückstand werde man wie eine Bleiweste in die Saison schleppen, und ja, gab Pesic noch zu, "ich bin nervös".

Die vergangene Spielzeit mit all den Erfolgen habe Pesic bis auf die letzten zehn Tage in der Finalserie gegen Berlin "wie in einer Wolke" erlebt. Über die sich nun schon vor dem ersten Spiel ein dunkler Schatten legt.

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