Süddeutsche Zeitung

Basketball:Lange Arme, lange Beine

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Louis Olinde ist erstmals in die Nationalmannschaft berufen worden. Er hat am meisten profitiert vom Neustart, den der erfolgsgewohnte Klub vor dieser Saison ausgerufen hat.

Von Joachim Mölter

Die Zeiten sind gerade nicht so gut für den Bamberger Basketball im Allgemeinen, aber sie sind gut für den Bamberger Basketballer Louis Olinde im Speziellen. Dass sich der neunmalige deutsche Meister Brose Bamberg in der Bundesliga derzeit mit Mühe auf dem achten Platz hält, dem letzten, der noch zur Playoff-Teilnahme berechtigt, liegt ja ganz gewiss nicht an dem 21 Jahre alten Flügelspieler. Der ist nämlich wegen seiner Leistungen gerade vom Bundestrainer Henrik Rödl zur Nationalmannschaft berufen worden, zum ersten Mal. Am kommenden Montag trifft sich Olinde mit 13 anderen Profis, darunter seinem Klubkollegen Christian Sengfelder, zur Vorbereitung auf die Länderspiele gegen Frankreich (Freitag, 21. Februar) und Großbritannien (Montag, 24. Februar). Zwölf Mann darf Rödl letztlich einsetzen. "Ich hoffe, dass ich einen guten Eindruck hinterlassen kann, damit ich am Ende dabei bin", sagt Olinde.

"Louis spielt nicht, weil er ein netter Kerl ist, sondern weil er der Mannschaft was gibt."

Einen guten Eindruck hat der junge Mann bislang überall hinterlassen, wo er mal vorgespielt hat. Höflich, fleißig, wohlerzogen - so beschreiben ihn diejenigen, die häufig mit ihm zu tun haben oder hatten. "Er ist immer pünktlich, immer aufmerksam, hat immer die Schuhe gebunden", erzählt zum Beispiel Stefan Weissenböck, der fürs individuelle Training zuständige Coach in Bamberg, und lässt damit anklingen, dass das nicht die Regel ist. Aber "Louis spielt nicht, weil er ein netter Kerl ist", sagt Marvin Willoughby, "sondern weil er der Mannschaft was gibt."

Willoughby, 42, war früher selbst mal Nationalspieler, mittlerweile ist er Geschäftsführer und Sportlicher Leiter beim Bundesliga-Aufsteiger Hamburg Towers. In dessen Nachwuchsteam ist Olinde groß geworden, ehe er vor vier Jahren zur weiteren Ausbildung zu Brose Bamberg wechselte, damals ein Team auf gehobenem europäischen Niveau. Der Kontakt ist nie abgerissen, am Dienstag sehen sich die beiden sowieso wieder, wenn die abstiegsbedrohten Towers in Bamberg gastieren (19 Uhr). Bei der Gelegenheit kann Willoughby mal wieder mit eigenen Augen sehen, was aus seinem Schützling geworden ist.

In seinem vierten Jahr bei Brose ist Louis Olinde zum Stammspieler avanciert, er hat ganz offensichtlich am meisten profitiert vom Reset, vom Neustart, den der erfolgsgewohnte Klub vor dieser Saison ausgerufen hat. Brose wollte wieder mehr auf junge Spieler setzen, das bescherte Olinde deutlich mehr Einsatzzeit, und die hat er genutzt. Im Durchschnitt steht er nun 24:20 Minuten auf dem Feld, er erzielt dabei 7,6 Punkte, sammelt 5,9 Rebounds und blockt einen gegnerischen Wurf pro Partie. Jeder Wert für sich genommen sieht nach nicht viel aus, aber in der Summe ist sein Beitrag beträchtlich, besonders für die Defensive: Mehr Rebounds und mehr Blocks sammelt in Bamberg jedenfalls keiner ein.

Dabei ist Louis Olinde mit nicht mal 90 Kilo bei einer Größe von 2,05 Meter eher schmächtig. "Ich muss auf jeden Fall daran arbeiten, noch ein bisschen Gewicht zuzulegen", sagt er, wohlwissend, dass aus ihm nie ein Muskelprotz wird: "Ich bin eher ein schmaler Typ - lange Arme, lange Beine."

Im Sommer wird er wohl bei der NBA-Draft gehandelt: "Er hat genug Talent", sagt Weissenböck

Das Talent für Basketball hat er von seinen Eltern, die diesen Sport beide betrieben haben. Sein Vater Wilbert hat es sogar bis zum Collegetitel in seiner Heimat USA gebracht, in Deutschland holte er mit dem ASC Göttingen Anfang der Achtzigerjahre dreimal die deutsche Meisterschaft und zweimal den Pokal. Obwohl er ursprünglich nur eine Saison bleiben wollte, ist er bis heute hier, hat die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen und sogar ein paar Länderspiele für Deutschland bestritten. "Mir ist erst in Bamberg bewusst geworden, was mein Vater für eine Bedeutung hatte", sagt Louis Olinde. Im oberfränkischen Basketball-Zentrum haben sich viele Fans an Olinde Senior erinnert und den Junior darauf angesprochen. Erdrückt hat ihn der Vater nicht, versichert Louis Olinde: "Er hat mir den Freiraum gelassen, meine eigene Karriere zu gestalten." Das bestätigt Marvin Willoughby: "Louis trifft seine eigenen Entscheidungen, er macht das alles nicht, weil es sein Vater ihm gesagt hat."

Im Sommer läuft Olindes Vertrag in Bamberg aus, er muss entscheiden, wie es weitergeht. Er sagt, er fühle sich sehr wohl in Bamberg; etliche Experten meinen aber, er müsse für seine Entwicklung mindestens zu einem Euroleague-Team wechseln. Und er wird wohl auch bei der Draft gehandelt, der Talentbörse der nordamerikanischen Profiliga NBA. Marvin Willoughby sagt: "Es ist nicht absurd, bei Louis von der NBA zu reden." Stefan Weissenböck, der regelmäßig auch mit NBA-Profis trainiert, sieht das auch so: "Er hat genug Talent." Vor allem aber sei er "smart genug, um zu verstehen, wo er steht und was er alles noch nicht kann". Olinde sagt: "Wir müssen noch eine ganze Rückrunde spielen. Das ist jetzt das Wichtigste."

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SZ vom 11.02.2020
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