Süddeutsche Zeitung

Basketball:Geht's noch?

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Zu viele Probleme mit der Liga: Die Würzburger fragen sich, ob das Format angemessen ist. Auch weil die Perspektiven fehlen und die Zukunft ungewiss scheint.

Von Sebastian Leisgang

Es ist nichts Forderndes in seiner Stimme, nichts Aufpeitschendes, nicht mal eine Spur von aufrichtiger Entrüstung. Vielleicht aber ist gerade das das Bemerkenswerte: dass Denis Wucherer Sätze sagt, die nach Revolution klingen, nach Aufbruch und Umsturz, Sätze aber, in denen auch etwas Versöhnliches steckt, weil Wucherer sie mit seiner sanften Therapeutenstimme ausspricht.

Wucherer, 47, macht sich Gedanken. Es sind grundlegende Gedanken, die ihn schon seit März umtreiben, seit Corona das Land erfasst hat. Jetzt, beim 61:90 vor wenigen Tagen gegen Hamburg, haben die Würzburger Basketballer so hoch verloren wie noch nie in etwas mehr als zwei Bundesliga-Jahren unter Wucherer. Die niederschmetternde Niederlage gibt Wucherer zu denken. Und sie veranlasst ihn, Sätze zu sagen wie: "Als Trainer muss ich zusehen, dass ich mein Frustrationslevel im Griff habe." Oder: "Es ist eine Gefahr, auseinanderzufallen, wenn es nicht läuft - das ist am Sonntag gegen Hamburg passiert."

Das Spiel hat Wucherer mitgenommen, das spürt man. Es gibt da aber noch eine zweite Sache, die Würzburgs Coach nicht loslässt. Es ist das, was auf das Hamburg-Spiel erst einmal folgt. Nämlich: nichts. Nichts außer Training, Training, Training.

Wucherer wünscht sich die Pläne "kreativer, spontaner, flexibler"

Erst am Nikolaustag werden Würzburgs Basketballer wieder spielen. "Und das, obwohl unser ganzer Laden negativ ist", ruft Wucherer. Es ist der Beginn eines langen Monologs, in dem zweierlei deutlich wird: zum einen, dass da etwas in ihm ist, was raus muss. Etwas, das in ihm arbeitet. Und zum anderen, dass Wucherer, so deutlich seine Worte auch sein mögen, keine Revolution anzetteln will. "Ich mache mir bloß Gedanken", sagt er, "weil meine Zukunft davon abhängt, ob das Produkt Bundesliga funktioniert, und ich finde: Wir spielen nicht genug. Wer gesund ist, muss öfter spielen als nur am Wochenende." Wucherer sorgt sich, ob es mit dem Zeitplan noch so weiter gehen kann: "Wenn plötzlich Mai ist, alle 34 Spiele haben und die Playoffs beginnen können, haben wir alles richtig gemacht, und ich habe eben keine Ahnung."

Die Corona-Phase nennt er "verrückte Zeiten". Zeiten, die erfordern, "kreativer, spontaner und flexibler" zu sein, denn: "Mir graut es davor, dass wir irgendwann mal zwei Wochen in Quarantäne gehen müssen und dann vier Spiele in sechs Tagen machen sollen."

Wie aber soll es gelingen, dieses Kreativer-spontaner-flexibler, das das Höher-schneller-weiter mit Länderspielen und internationalen Aufgaben ersetzen soll?

Bei dieser Frage erinnert Wucherer an das Juni-Turnier in München, mit dem die Bundesligisten den deutschen Meister ermittelt haben. "Das hat wunderbar funktioniert", sagt Würzburgs Trainer, "das war eine Erfolgsgeschichte." Ein vergleichbares Format schwebe ihm auch jetzt vor. Und, das könne ebenfalls dazu beitragen, dass das Produkt Bundesliga funktioniert: "Wenn wir den Abstieg aussetzen, würden wir frühzeitig Druck vom Kessel nehmen. Dann wären die Teams eher bereit, auch dann mal anzutreten, wenn zwei Spieler in Quarantäne sind."

Den Abstieg aussetzen? Es ist ein abenteuerlicher Vorschlag, ein Vorschlag, der bei anderen Bundesligisten einen Reflex auslösen dürfte, den Wucherer schon jetzt mit diesen Worten beschreibt: "Natürlich sagen da einige: Klar will der Wucherer den Abstieg aussetzen - der hat ja grade mit 29 gegen Hamburg verloren. Das kann mir jetzt natürlich so ausgelegt werden. Aber: Es geht mir um die Bundesliga." Und um die sorgt er sich. Deshalb die Gedanken, deshalb die Ideen.

Mag sein, dass die Sache mit dem Abstieg abenteuerlich daherkommt, aber sind es nicht auch abenteuerliche Zeiten?

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SZ vom 25.11.2020
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