Süddeutsche Zeitung

Basketball-Bundesliga:Finale statt Sommerurlaub

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Die Bayern-Basketballer kontrollieren die entscheidende Partie gegen Bonn und erreichen doch noch das Endspiel um die deutsche Meisterschaft. Dort wartet Alba Berlin - ein ausgeruhter Gegner, der 17 Siege hinter sich hat.

Am Mittwochabend um Viertel nach neun haben die Basketballer vom FC Bayern München noch nicht gewusst, in welchen Flieger sie tags darauf am Flughafen Köln/Bonn steigen. Im ultimativen fünften Halbfinalspiel bei den Telekom Baskets Bonn lagen sie zur Pause knapp hinten. Hätten sie die Partie nicht gedreht, hätten sie am Donnerstag eine Maschine heim nach München nehmen und Urlaub buchen müssen. "Die meisten Leute haben doch gedacht: Fertig, ciao, finito, arrivederci, buone vacanze!", witzelte der Bayern-Trainer Andrea Trinchieri nicht ohne ein bisschen Genugtuung in der Stimme.

Anlass zur Skepsis hatte nicht nur die Bonner Pausenführung, sondern vielmehr der Umstand gegeben, dass die Münchner zuvor in heimischer Halle eine 2:0-Führung in der Halbfinalserie hergegeben hatten und bei 2:2 zum entscheidenden fünften Spiel nach Bonn reisen mussten. 40 Minuten im Rheinland entschieden über Wohl und Wehe einer ganzen Saison. "Hück oder nie", lautete das mundartliche Motto der Bonner, das auch auf die Bayern passte: Heute oder nie. Ein möglicher Heimflug nach München war bereits herausgesucht.

Die Willensleistung könnte nun ein Vorteil werden

Aber dann stiegen die Bayern am Donnerstag um zwölf Uhr eben doch in ein Flugzeug nach Berlin. Dort beginnt bereits an diesem Freitagabend die Finalserie um die deutsche Meisterschaft gegen jenen Titelverteidiger Alba Berlin, der seine Halbfinalserie gegen Ludwigsburg bereits vor einer Woche gewonnen hat und entsprechend ausgeruht in die Finalserie geht. "Wir hatten wesentlich mehr Belastung als Berlin", gab in Bonn der eigens angereiste Bayern-Ehrenpräsident Uli Hoeneß zu bedenken. Er sieht in der Münchner Willensleistung jetzt aber vielleicht sogar einen Vorteil: "So ein Sieg im fünften Spiel kann Kräfte freisetzen; die Euphorie ist groß." Sein Motto als unerschütterlicher Optimist: "Wer mer scho schaffen!"

Mittwochnacht in der Dunkelheit am Mannschaftsbus vor der Bonner Halle haben etwa drei Dutzend euphorisierte Bayern-Fans auch Hoeneß' Namen skandiert. Einer der Fans hat dem Geschäftsführer Marko Pesic eine 0,33-Liter-Flasche Augustiner Helles in die Hand gedrückt, an der Pesic geduldig nippte. "Ich bin kein großer Biertrinker", sagte er entschuldigend. Ein bisschen zum Feiern war ihm aber trotzdem zumute nach dem Finaleinzug, der mit- und vorentscheidend war in der Frage, ob es eine eher gute oder eine eher enttäuschende Saison für die Bayern-Basketballer würde.

Negativ zu Buche schlug im November das Pokal-Aus im Viertelfinale in Chemnitz, positiv das auf maximale fünf Spiele strapazierte Viertelfinale in der Euroleague gegen den großen FC Barcelona. Der Einzug in die Finalserie der Bundesliga nun war das Minimalziel. Jetzt erhalten die Bayern die ersehnte Chance, den Vorjahressieger Alba zu entthronen. Dann wäre es ein richtig gutes Jahr.

"Meine Spieler haben sich nie beklagt, sondern immer nach Lösungen gesucht", sagt Trainer Trinchieri

"Es war eine sehr, sehr, sehr schwierige Saison", bilanzierte Trinchieri am Mittwochabend schon einmal und sprach von verletzungsbedingten Ausfällen ebenso wie von einer Belastung, die die Bayern in Bonn ins 80. Pflichtspiel dieser Saison geführt hatte. "Meine Spieler haben sich aber nie beklagt, sondern immer nach Lösungen gesucht", lobte Trinchieri. Und so habe diese Saison noch etwas anderes als den Einzug in die Finalserie erbracht: "Wir haben einen neuen Teamgeist gefunden."

Angeführt von diesem Teamgeist sowie vom Korbjäger Nick Weiler-Babb (18 Punkte), vom Balleroberer Othello Hunter (10 Rebounds) und vom Vorlagengeber Vladimir Lucic (6 Assists) setzten sich die Münchner im Bonner Stadtteil Hardtberg sukzessive ab und triumphierten am Ende relativ deutlich 87:74. "Ich will nicht sagen, dass wir uns sicher waren zu gewinnen, aber wir hatten absolutes Vertrauen in die Mannschaft", sagte der Manager Pesic. "Dieser Sieg könnte uns helfen in der Finalserie gegen Alba."

Dass sie nach nur 48 Stunden bereits wieder spielen müssen, während die Berliner eine Woche lang warten mussten, könnte sich sogar als Vorteil entpuppen. Das hält auch der Trainer Trinchieri für möglich, räumt jedoch ein: "Wir müssen halt irgendwie regenerieren; Alba ist gut ausgeruht und hat ungefähr 157 Spiele hintereinander gewonnen - sie sind in der Finalserie Favorit."

Das Programm der Bayern vor dem Finalauftakt: Ausruhen und leichtes Training

Mit Albas Serie hat der 53 Jahre alte Italiener zwar absichtlich ein bisschen übertrieben, aber 17 Siege in Serie sind es tatsächlich bei den Berlinern, die nicht nur die finalen elf Spiele in der Hauptrunde allesamt gewonnen haben, sondern auch beide Playoff-Serien mit 3:0. Als zuletzt zweimaliger Meister und diesjähriger Hauptrundensieger sind die Berliner tatsächlich favorisiert. Die Münchner als Meister von 2018 und 2019 mit ihrem Trainer Trinchieri, der von 2015 bis 2017 drei Mal Meister mit Bamberg geworden ist, werden in der Finalserie, die abwechselnd in Berlin und München (zweites Spiel am Dienstag) ausgetragen wird, gewiss noch einmal alles herausholen aus ihren strapazierten Körpern.

Am Donnerstag standen nach der Landung in Berlin Erholung und am Abend ein leichtes Training an. Da dürfte es die Münchner aber bereits wieder in den Armen gejuckt haben. "Die Playoff-Serie gegen Bonn hatte es wirklich in sich und gibt uns einen extra Schub", sagt Münchens Nationalspieler Andreas Obst und fügt hinzu: "Jetzt wollen wir das Ding auch nach Hause holen." Was bei Bayern München das "Ding" ist? Das hat einst der Fußballtorwart Oliver Kahn definiert mit seinem ikonischen Ausruf: "Da ist das Ding!" Es handelt sich um nicht weniger als die Meistertrophäe.

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