Süddeutsche Zeitung

Basketball:Besser gemacht vom Bessermacher

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Die starken Leistungen von Paul Zipser zeigen den großen Einfluss von Trainer Andrea Trinchieri auf die Basketballer des FC Bayern, die gerade zu den erfolgreichsten Teams Europas zählen.

Von Ralf Tögel

"Ich bin noch lange nicht da, wo ich sein will und wo mich der Trainer haben will." Diesen Satz hat der Basketballer Paul Zipser gesagt, was insofern bemerkenswert ist, weil er am darauffolgenden Tag, im Euroleague-Spiel gegen Valencia Basket am Freitagabend, 20 Punkte erzielte und damit maßgeblich am 90:79-Sieg des FC Bayern mitwirkte. Für die Münchner war es der sechste Sieg im achten Spiel dieser in Europa wertigsten Spielklasse, sie stehen auf dem zweiten Tabellenplatz hinter dem ruhmreichen FC Barcelona und schicken sich an, die Endrunde der besten acht kontinentalen Teams zu erreichen, was bisher noch nie einer deutschen Mannschaft gelang.

Im Frühjahr noch lagen die Bayern abgeschlagen auf dem vorletzten Platz, als die Saison abgebrochen wurde - nicht selten gedemütigt mit ehrabschneidend hohen Niederlagen. Zipser war auch zu dieser Zeit Teil der Mannschaft, die einen prominenter besetzten Kader hatte, der seine Möglichkeiten aber nur sehr selten auf das Parkett brachte. In dieser Saison spielen zwar weniger bekannte Spieler, dafür steht ein umso bekannterer Trainer am Spielfeldrand. Und seit Andrea Trinchieri das Sagen hat, spielt nicht nur Zipser in bestechender Form.

Über die enormen Anlagen des 26-Jährigen gibt es keine zwei Meinungen. Zipser ist ein wuchtiger Flügelspieler, der mit enormem Zug zum Korb ziehen aber auch geschmeidig abschließen kann, er hat zudem einen starken Distanzwurf. Unter Trinchieri hat sich auch sein Defensivspiel verbessert. Spieler wie er werden gerne "komplett" genannt.

Zum FC Bayern war Zipser als 18-Jähriger gekommen, der in der zweiten Liga bei seinem Heimatklub Heidelberg auf sich aufmerksam gemacht hatte, er galt schnell als größte Verheißung im deutschen Basketball. Svetislav Pesic schliff den Basketball-Edelstein schnell zu einem Nationalspieler, eine Entwicklung die bis nach Übersee strahlte. Gegen den Rat des serbischen Mentors unterzeichnete Zipser 2016 einen Zweijahresvertrag bei den Chicago Bulls - Pesic hätte den Rohling gerne noch ein Jahr länger bearbeitet.

Doch Zipser setzte sich durch, zunächst kam er in der NBA bei 44 Einsätzen auf 5,5 Punkte im Schnitt, in den Playoffs steigerte er den Wert in seiner Rookie-Saison auf starke 7,3 Punkte pro Spiel. Insgesamt trug er 98 Mal das rote Trikot der Bulls, ehe ihn ein langwieriger Ermüdungsbruch im Fuß bremste. Chicago verlängerte seinen vertrag daher nicht, der Flügelspieler kurierte in Europa seine Verletzung aus und wechselte vor einem Jahr in die spanische Eliteliga zu San Pablo Burgos, ehe er vergangenen Sommer erneut in München unterschrieb.

Beim FC Bayern profitiert er nun ganz offensichtlich von der energiegeladenen Arbeit des impulsiven Cheftrainers: "Trinchieri weiß sehr viel über Basketball", erklärt Zipser, "vor allen Dingen, wie er uns dazu bringt, es auf dem Spielfeld umzusetzen." Das Mantra des Italieners ist Flexibilität bei seinen Spielern, "er will, dass wir in Angriff wie Abwehr variabel spielen". Der Coach verwende nie zweimal hintereinander das selbe System, erklärt Zipser, Trinchieri verstehe es vielmehr, die Stärken seiner Mannschaft herauszuarbeiten und den Schwächen des Gegners anzupassen, "um uns so einen Vorteil zu erarbeiten".

Schon vor der Saison habe der neue Coach mit Zipser lange Gespräche geführt, um ihm zu erklären, was er erwarte. Und das fordert er nun in jeder Übungseinheit ein: "Sein Training ist mental sehr anstrengend, physisch sowieso." Und es zeigt Resultate, bei Zipser zusehends im Distanzwurf: Gegen Valencia versenkte er sieben von elf versuchen, vier davon von jenseits der Dreierlinie. Neben der starken Quote fielen Zipsers Würfe meist in wichtigen Spielsituationen, Indiz einer guten mentalen Verfassung. Wie jener zur 79:76-Führung, der letztlich den famosen 14:3-Endspurt der Bayern zum Sieg einläutete. Neben Zipser war einmal mehr Vladimir Lucic der prägende FCB-Akteur, der mit 22 Zählern auch den Bestwert des Abends erzielte. Auch Lucic ist lange im Kader, auch Lucic blüht unter Trinchieri auf.

Der wollte aber keinen einzelnen Akteur herausheben, er sagte: "Es sind die vielen kleine Dinge einer Mannschaft, die große Dinge erst möglich machen." Für diese großen Dinge war am Freitagabend unter anderen Zipser zuständig, der sich weiter steigern werde, wie er sagt. Auf einer Skala von null bis zehn sieht er sich derzeit "bei sechs". Auch in Nordamerika, wohin der 26-Jährige früher oder später zurückkehren will, werden sie es zur Kenntnis nehmen.

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