Süddeutsche Zeitung

Basketball:Ausgetanzt

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Alba Berlin verzichtet in Zukunft auf Cheerleader. "Das Auftreten junger Frauen als attraktive Pausenfüller" sei nicht mehr zeitgemäß, begründete der Verein die Entscheidung.

Von Javier Cáceres

In der vergangenen Woche feierte der Basketball-Bundesligist Alba Berlin im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark seinen Saisonauftakt, und unter den Körben waren auch zahlreiche Jungen und Mädchen - was nicht sonderlich überraschte: Die Jugendabteilung von Alba ist die größte der deutschen Basketball-Landschaft; in den vergangenen Jahren war der Verein in den Grundschulen Berlins stärker präsent als jeder lokale Fußballklub.

Sportvereine sind auch gesellschaftliche Organisationen, also mitverantwortlich für allerlei Dinge, die jungen Menschen mit auf den Weg gegeben werden. Zum Beispiel: das Frauenbild. Bei Alba ist man nun zu dem Schluss gekommen, dass man diesbezüglich einen Anachronismus vermittelt. Der Klub schaffte deshalb mit sofortiger Wirkung die Cheerleader ab - nach einem Vierteljahrhundert, in dem die Tänzerinnen der Zerstreuung rund um das pure Spiel gedient haben.

Uli Hoeneß will mit FC-Bayern- Fans und Tänzerinnen reden

Man sei "zu der Überzeugung gekommen, dass das Auftreten junger Frauen als attraktive Pausenfüller bei Sportevents nicht mehr in unsere Zeit passt". So lautete die Begründung von Alba-Manager Marco Baldi in einer Mitteilung vom Donnerstagabend, die in der Szene für heftige Diskussionen sorgte - in den seltensten Fällen übrigens regte sich Protest, dass diese Debatte ohne eine Stimme der betroffenen Frauen auskam.

Das "Cheerleading" - sinngemäß: das Anspornen zum Jubeln - ist ein Import aus der durchaus patriarchalisch geprägten und von einem entsprechenden Schönheitsideal dominierten US-Kultur. Man muss vermutlich kein Radikalfeminist sein, um anzuerkennen, dass die Tänzerinnen ein Rollenklischee bedienen, das man nicht fördern muss: Frauen als schmückendes Beiwerk.

"Bei unseren Heimspielen ist der Eindruck entstanden, dass Frauen bei Alba vor allem für die tanzende Pausenunterhaltung zuständig sind, während Männer Basketball spielen", erklärte dazu Baldi. Mit keiner Silbe spielte er auf das optische Erscheinungsbild der Tänzerinnen an, das mit Eurythmie-Ensembles von Waldorfschulen eher wenig gemein hat - in den Tiefen des Internets wurde dennoch nach der Entscheidung ein angeblicher weiterer Sieg des Morgenlandes, der "Feminazis" oder angeblicher Neo-Puritaner verkündet. "Wir wollen künftig noch stärker fördern, dass Frauen im Basketball als Spielerinnen sichtbar und zu Vorbildern werden", sagte Baldi.

Von Albas Cheerleader-Chefin Valesca Stix, die nach eigenen Angaben in die Entscheidung eingebunden war, kam gleichwohl Widerspruch. Dass ein Klub das Rahmenprogramm ändere, sei kein Problem, sagte Stix, aber: "Die Begründung halte ich persönlich für falsch." Der Klage lag zugrunde, dass Cheerleader mit den Nummerngirls aus dem Profiboxen oder den Hostessen, die auf Radsport-Podien so etwas wie busserlnde Blumenvasen aus Fleisch und Blut darstellen, nur entfernt verwandt sind. Denn: Cheerleading gilt auch als Sport, mit Turnieren bis hinauf zu Weltmeisterschaften - Albas Dance-Team war sogar schon mal Europameister. Im Verein heißt es auch deshalb, dass es keine einfache Entscheidung gewesen sei; die Cheerleading-Abteilung bleibe auch erhalten - nur die große Bühne wird den Tänzerinnen nun genommen.

Andernorts bleibt alles beim Alten, zum Beispiel beim 1. FC Köln, der als einziger Fußballbundesligist Cheerleader unterhält. Ein Sprecher sprach von einer "selbstbewussten und selbstbestimmten Tanzgruppe", die das ganze Jahr über "auf hohem tänzerischen Niveau ihrem Hobby" nachgehe, etwa beim Karneval.

Beim FC Bayern meldete sich Präsident Uli Hoeneß zu Wort: Lasse man Cheerleader auftreten, "nur um junge Frauen zu präsentieren, die möglichst wenig anhaben, dann ist die Entscheidung von Berlin richtig". Die Bayern-Cheerleader machten "einen relativ guten Sport". Man wolle aber fragen, so Hoeneß, ob es weiter gehen solle wie bisher - Tänzerinnen und Fans.

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SZ vom 28.09.2019
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