Süddeutsche Zeitung

Basketball:Auf Wiedervorlage im Herbst

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Der Euroleague-Abbruch offenbart vor allem eines: Es ist kaum möglich, in diesen Zeiten einen internationalen Wettbewerb auf faire Weise aufrechtzuerhalten.

Von Joachim Mölter, München

Als Jordi Bertomeu, der Chef von Euroleague Basketball, am Montagabend bei einer Videokonferenz begründete, warum die Liga ihre wegen der Corona-Pandemie seit Mitte März unterbrochene Saison nun beendet, da betonte er so auffallend oft die Einigkeit der Klubs, dass man schon fast zweifeln musste, ob es die wirklich gibt. Einig waren sich zunächst einmal nur die Spieler gewesen, deren Meinung am Samstag eingeholt worden war: Abbrechen! Aufhören! Auf keinen Fall wieder anfangen! So lautete das einstimmige Votum der 36 zugeschalteten Profis, je zwei pro Team. Deren Klub-Funktionäre hingegen waren zumindest bis Sonntag uneins, ob sie den Spielbetrieb fortsetzen sollen; sechs Hauptrunden-Spieltage plus Playoffs wären noch zu absolvieren gewesen.

Schließlich beugten sich aber alle dem Vorschlag Bertomeus, die Saison zu beenden, ohne einen Meister zu küren. Stattdessen wollen sie im Herbst eine neue Spielzeit beginnen, mit den gleichen 18 Teams, weil ja der nachgeordnete Eurocup auch keinen sportlichen Aufsteiger mehr generiert. Dort ist die Saison nun ebenfalls vorzeitig vorbei. Damit bleibt Alba Berlin also in der höchsten europäischen Liga; der FC Bayern München hätte das Teilnahmerecht dank einer Wildcard sowieso sicher gehabt. "Das ist einfach die fairste Lösung, den Teams wieder einen Platz zu geben, die jetzt vom Abbruch betroffen sind", erklärte Bertomeu. Generell sprach er von "einer der schwierigeren und traurigeren Entscheidungen, die wir in unserer Geschichte treffen mussten".

Es sollte nicht darum gehen, wer trainieren kann und wer nicht, findet Shane Larkin

Die wurde von den Spielern freilich freudig aufgenommen. "Die Euroleague-Saison abzusagen, war hart, aber richtig", ließ der Italiener Luigi Datome wissen, der Präsident der Profi-Vereinigung ELPA. Auch der ehemalige Nationalcenter Tibor Pleiß äußerte Verständnis für die Absage, obwohl er in doppelter Hinsicht darunter leidet: Zum einen führte er mit dem Vorjahresfinalisten Anadolu Efes Istanbul die Tabelle an und besaß gute Aussichten für die Playoffs, zum anderen hätte die Finalrunde der besten Vier auch noch in Köln stattfinden sollen (ursprünglich sogar am vergangenen Wochenende), nahe seiner Geburtsstadt Bergisch Gladbach. "Na klar ist es schade, da wir eine überragende Saison gespielt und eine gute Ausgangslage hatten, in diesem Jahr den Titel zu holen", sagte der 30-Jährige dem TV-Sender Sport 1: "Aber andererseits wurde es immer schwieriger, sich körperlich in Form zu halten. Ich hatte gute Bedingungen, aber andere Teams hatten nicht die Möglichkeiten, sich richtig fit zu halten."

Sein Klubkollege Shane Larkin, der bis dato überragende Spieler dieser Saison, hatte sich genau deswegen für den Abbruch eingesetzt. Auf seiner Instagram-Plattform hatte der Amerikaner diverse Risiken wegen der zweimonatigen Pause zu bedenken gegeben, nicht nur das einer Ansteckung mit dem Coronavirus: "Die Verletzungsgefahr ist extrem hoch. Ein Großteil der Spieler war einfach nicht in der Lage, sich in Form zu halten." Auch Larkin wies auf unterschiedliche Trainingsbedingungen in den verschiedenen Ländern hin, in denen sich die Profis aufhielten und in denen die Teams beheimatet sind. "Ich glaube nicht, dass die Euroleague dadurch entschieden werden sollte, wer Trainingsmöglichkeiten hat und wer nicht", resümierte Larkin: "Einige hätten einen unfairen Vorteil gehabt."

Während sich in Deutschland und Spanien die Klubs darauf vorbereiten, ihre heimischen Ligen noch zu Ende zu bringen, ist anderswo der Betrieb längst eingestellt. Diese europäische Zerrissenheit spiegelt sich bisweilen selbst innerhalb eines Landes wider, in der Türkei oder in Serbien beispielsweise. Dort haben sie die nationalen Ligen beendet, sich aber als Austragungsort für ein finales Turnier der Euroleague beworben - so ähnlich wie es die Bundesliga im Juni in München praktiziert.

Letztlich folgte Bertomeu Larkins Argumentation. "Die Hauptsorge der Spieler betraf ihre Gesundheit und die kurze Vorbereitungszeit", sagte der Funktionär. Die Euroleague hatte ja gehofft, die Saison im Juli fortsetzen und beenden zu können; darüber hinaus zu spielen, hatte Bertomeu ausgeschlossen wegen der Auswirkung auf die folgende Saison: Die hätte dann entsprechend später begonnen, aber trotzdem rechtzeitig vor den Olympischen Spielen in Tokio fertig sein müssen - "das wäre unmöglich gewesen".

Da bereitet sich die Euroleague lieber auf die neue Saison vor, die am 1. Oktober beginnen soll - sofern es die Corona-Pandemie zulässt. "Wir werden die Entscheidungen der jeweiligen Regierungen beobachten", sagte Bertomeu mit Verweis auf die zehn Länder, in denen seine 18 Klubs daheim sind: "Jedes wird seine eigenen Maßnahmen treffen, aber wir rechnen nicht damit, dass wir zunächst Zuschauer in den Hallen haben werden." Auch auf eine zweite Corona-Welle müsse man vorbereitet sein, erklärte der Spanier; er schloss daher nicht aus, dass Teams vorübergehend auch umziehen könnten, in andere Länder. "Es ist unmöglich, eine Einheitlichkeit hinzubekommen, alle Länder unter einen Hut zu kriegen", fürchtet Marco Baldi, der Geschäftsführer des deutschen Pokalsiegers Alba Berlin: "Es weiß derzeit keiner, wann wo wie wieder was laufen wird."

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SZ vom 27.05.2020
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