Süddeutsche Zeitung

3. Liga:Überall Aufregung

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Dass die kommenden beiden Spieltage der dritten Liga verschoben werden, sorgt für unterschiedliche Reaktionen. In der Regionalliga greift wohl die 1000-Personen-Regelung.

Von Christoph Leischwitz und Markus Schäflein

In Giesing, beim stets auf Kante genähten TSV 1860 München, herrschte erst einmal Erleichterung. Dass die dritte Fußball-Liga ihre kommenden beiden Spieltage verschiebt, hat bei den bayerischen Teilnehmern unterschiedliche Reaktionen ausgelöst - die Löwen finden es gut. "Das ist die richtige und vernünftige Entscheidung, die ich sehr begrüße", sagte Finanz-Geschäftsführer Michael Scharold, der schon am Tag zuvor vor den wirtschaftlichen Folgen von Geisterspielen gewarnt hatte. Scharold ist aber klar, dass auch nach diesen beiden Spieltagen nicht wie üblich weitergespielt werden kann. "Es ist nur eine kurzfristige Entscheidung", meinte er, "wir müssen uns weiter intensiv damit auseinandersetzen und auch mittelfristig gute Lösungen finden, die die Integrität des wirtschaftlichen und sportlichen Wettbewerbs sichern."

Eine ganz andere Meinung vertrat der FC Ingolstadt, dessen Geschäftsführer Franz Spitzauer sich schon am Dienstag gegen Verlegungen und für Geisterspiele ausgesprochen hatte; die Mannschaft wäre im Aufstiegsrennen gerne im Rhythmus geblieben. Der FCI teilte beim Kurznachrichtendienst Twitter mit: "#Schanzer stimmten nach intensiver Beratung für Durchführung der 2 Spiele ohne Zuschauer, um Rhythmus zu behalten & ggf. wirkungslose Aufschiebung zu vermeiden." Damit fanden die Ingolstädter aber keine Mehrheit. Auch die SpVgg Unterhaching stimmt für eine Verlegung, wie Trainer Claus Schromm berichtete, "weil das die Variante ist, die alle Vereine gleichermaßen betrifft". Bei Geisterspielen sei das aufgrund der unterschiedlichen Regelungen in den Bundesländern ja nicht gegeben.

Für den FC Bayern München II steht hingegen die Spielpraxis für die Talente im Vordergrund - und es ist auch davon auszugehen, dass die Geisterspiele beim Verein kein finanzielles Problem ausgelöst hätten. Die Bayern äußerten sich nicht offiziell - und auch die Verantwortlichen der Würzburger Kickers verwiesen lediglich auf die Tagung am Montag, zu welcher der Deutsche Fußballbund alle Drittligisten eingeladen hat. Im Vorfeld wolle sich der Vorstandsvorsitzende Daniel Sauer nicht äußern, teilten die Kickers auf Nachfrage mit und begründeten dies mit der Dynamik des Themas, durch die eine Einschätzung schon ein paar Stunden später überholt sein könne.

Mehr als 24 Stunden voraus zu planen, mache auch in der viertklassigen Regionalliga keinen Sinn mehr, sagt Armin Buchmann, der Präsident des FC Memmingen - wer wisse schon, was morgen ist. Zwar steht das nächste Spiel der Allgäuer, am Samstag auswärts bei Greuther Fürth II, nicht auf der Kippe, und überhaupt sieht es im Moment noch so aus, als könne die vierthöchste Spielklasse in Bayern ein weitgehend normales Wochenende verbringen. Doch nach jetzigem Stand trifft die Entscheidung der Bayerischen Staatsregierung, die Besucherzahl für Großereignisse stark zu beschränken, die Memminger von allen Regionalligisten am härtesten.

Das liegt daran, dass die örtlichen Behörden nicht nur das Verbot, sondern auch die weitergehenden Empfehlungen besonders konsequent auslegen. Das bedeutet, dass zu den Heimspielen des Tabellen-Vorletzten nicht einmal 500 Zuschauer zugelassen sind. "Wir stellen uns auf durchgehend Geisterspiele ein", sagt Buchmann. Die Auswirkungen spürt der Verein auch deshalb besonders, weil für den 31. März eigentlich ein Toto-Pokal-Halbfinale gegen den Drittligisten 1860 München ansteht. 3500 Karten waren bereits verkauft, darunter auch Vip-Pakete. Selbst wenn es klappen sollte, das Spiel noch zu verlegen - was angesichts der Terminprobleme in der dritten Liga schwierig werden könnte - sei ja Ende April immer noch nicht sicher, ob sich die Lage schon beruhigt habe. Laut Buchmann habe man die Einnahmen des Pokalspiels bei den Transfertätigkeiten in der Winterpause schon eingeplant. Wenn darüber hinaus die Liga-Heimspiele gegen Wacker Burghausen und den FC Schweinfurt abgehalten werden müssen, dann seien Regressansprüchen jeglicher Art "Tür und Tor geöffnet", fürchtet Buchmann. Er meint damit vor allem Ansprüche von Dauerkarteninhabern. Sollte das Pokal- zum Geisterspiel werden, befürchtet er einen Verlust von rund 50 000 Euro. Eine Insolvenz befürchtet der langjährige Präsident allerdings nicht, man habe in den vergangenen Jahren gut gewirtschaftet.

Bedeutsam für die Planung des kommenden Spieltages ist, dass mit der staatlich verordneten Begrenzung nicht die Zuschauerzahl, sondern die Gesamtzahl der im Stadion befindlichen Personen gemeint ist. Weil die Mannschaften oft einen recht großen Betreuerstab und auch bisweilen auch noch Freunde und Verwandte mitbringen, dürfte das Kontingent für Karten, die in den freien Verkauf gehen, bei gut 800 Stück liegen. Die Zahl der Jahreskarten sind in der Regionalliga meistens zu vernachlässigen. Ernsthafte finanzielle Konsequenzen hat die Regelung also erst einmal nicht. Aktuell kommen gerade einmal zwei Mannschaften auf einen Schnitt über 1000 Zuschauer, der FC Schweinfurt und Viktoria Aschaffenburg. In Schweinfurt hat das örtliche Gesundheitsamt die Partie am Samstag gegen Schalding genehmigt. Dort liegt in Stadt und Landkreis ein gemeldeter Corona-Fall vor, das Stadion ist mit einer Kapazität von 15 060 Besuchern aber so weitläufig, dass sich die genehmigten 1000 Personen verteilen: "Der Abstand zu anderen Personen mit bis zu zwei Metern kann gewährleistet werden."

Ein Spezialfall ist der Meisterschaftsaspirant Türkgücü München. Bis Dezember spielte die Mannschaft zur Miete auf dem Platz des SV Heimstetten. Jetzt stehen, wie vor einem Jahr mit der Stadt München vereinbart, fünf Heimspiele im Grünwalder Stadion an, am Sonntag die Premiere gegen Illertissen. Präsident Hasan Kivran hatte lange dafür gekämpft, als Münchner Klub auf Giesings Höhen spielen zu können. Am späten Mittwochnachmittag wurde Türkgücü dann aber von der Stadt mitgeteilt, dass auch ein Spiel mit 900 Zuschauern nicht möglich ist. Begründet wird die Entscheidung damit, dass es sich bei den Heimpartien um Veranstaltungen mit potenziell mehr als 1000 Zuschauern handelt - und deshalb überhaupt keine Besucher zugelassen werden. Deshalb werden erst einmal bis zum 19. April nur Geisterspiele erlaubt, das betrifft Illertissen, Bayreuth (30.

3.) und Aubstadt (18.4.). Andernorts herrscht recht viel Gelassenheit - es ändert sich ja auch so gut wie nichts, abgesehen davon, dass in Stadien mit einem Besucherschnitt von 500 oder weniger nun auf den Toiletten die Seifenspender aufgefüllt wurden und in den Vereinsgaststätten Desinfizierer stehen. "Alles ganz normal bei uns", sagt zum Beispiel Michael Matejka vom SV Heimstetten. "Wir spielen", sagt auch der Sportliche Leiter des VfB Eichstätt, Hans Benz. Bezüglich der Ansteckungsgefahr sieht man beim VfB auch kein Risiko: Die Mannschaft sei zwar zum Trainingslager in Italien gewesen, aber schon vor zwei Wochen zurückgekehrt - symptomfrei.

Selbst an einem Traditionsstandort wie beim SV Wacker Burghausen dürfte sich am alltäglichen Heimspiel-Bild kaum etwas ändern. Sollte sich allerdings die Lage in Bayern verschlechtern und Behörden Geisterspiele vorgeben, werde es zu massiven Problemen kommen, glaubt Teammanager Karl-Heinz Fenk: "Das wäre ein riesiger finanzieller Verlust, und ich glaube, ich kann da für fast alle Regionalliga-Mannschaften sprechen."

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SZ vom 12.03.2020
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