Süddeutsche Zeitung

Zweite Liga:Gipfeltreffen am Supermega-Samstag

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Erster gegen Zweiter, Dritter gegen Vierter: Nirgends geht es packender zu als in der zweiten deutschen Liga. Wen interessiert da noch die x-te Wiederholung von Liverpool gegen ManCity?

Kommentar von Philipp Selldorf

Schalkes Sportdirektor Rouven Schröder sprach den brutalen Satz gelassen aus: "Wir sind uns einig, dass es im Sommer mit Buyo weitergeht - aber nicht als Cheftrainer", sagte er in Richtung des neben ihm sitzenden Cheftrainers Mike "Buyo" Büskens, der die Bemerkung stumm vorüberziehen ließ. Büskens hat zuletzt fünf Spiele hintereinander gewonnen - und trotzdem keine Zukunft auf seinem Posten. Was ist da wieder los auf Schalke? Will Schröder etwa den König des Zynismus, Felix Magath I., übertreffen?

Als Manager des Zweitligisten Würzburger Kickers hatte Magath vor anderthalb Jahren einen neuen Maßstab für unschöne Trainerentlassungen gesetzt, als er drei Tage nach der öffentlichen Beteuerung, der Coach könne in Ruhe weiterarbeiten, ebenjenem Coach die Kündigung aussprach. Na und?, meinte er: "Der Trainer kann weiter in Ruhe arbeiten - nur halt woanders."

Dass Büskens jetzt nicht in Tränen ausgebrochen ist (wozu er übrigens jederzeit fähig ist, wenn's um Schalke geht), das lag daran, dass Schröders Äußerung in Wahrheit keinerlei Quälix-Qualität besaß. Selbst wenn Büskens, 53, nach dem Zweitliga-Spitzenspiel gegen Werder Bremen am Samstag auch die übrigen Begegnungen gewinnen und damit glorios den Aufstieg schaffen sollte, wird er nicht Intendant bleiben, sondern wieder in seine Rolle des ständigen Co-Trainers zurückzukehren. So war das von Anfang an ausgemacht, als er an die Stelle des entlassenen Dimitrios Grammozis getreten ist, so ist es weiterhin sein erklärter Wunsch, und so ist es vermutlich auch vernünftig und klug.

Büskens ist in diesem Moment der richtige Mann, um die königsblaue Welt auf seine Schultern zu nehmen, aber als ständige Besetzung der Regie ist er viel zu sehr Schalker und somit viel zu sehr Melodramatiker. Gleichwohl könnte es merkwürdig werden, wenn im Sommer der neue Trainer in seinem Stab den Vorgänger vorfindet, der auf der Sänfte zum Trainingsplatz gebracht und überall in der Stadt mit Denkmälern geehrt wird.

Lehnt Schalke den Bundesliga-Aufstieg am Ende sogar ab?

Doch so weit sind die Schalker nicht, erst kommt dieser 31. Spieltag, der die zweite deutsche Liga wieder in den Mittelpunkt von Europas Spitzenfußball rückt: Wen interessiert da die x-te Wiederholung von Liverpool gegen Guardiola-City? Wo geht es packender zu als am Supermega-Samstag bei Schalke gegen Werder, Erster gegen Zweiter, und St. Pauli gegen Darmstadt, Dritter gegen Vierter? Welches Gipfeltreffen könnte größer sein als die Begegnung der blau-weißen und grün-weißen Torfabriken? Bülter & Terodde vs. Ducksch & Füllkrug, das klingt nicht ganz wie einst Messi & Neymar gegen Ronaldo & Benzema, aber fast. Sollte die Uefa noch keine Pläne für eine Champions League der zweiten Ligen in der Schublade haben - spätestens jetzt wird sie darüber nachdenken.

Ob die Schalker dann noch teilnehmen werden? Vielleicht lehnen sie ja den Aufstieg ab - es gefällt ihnen gerade ziemlich gut in ihrem Exil im Unterhaus, und es läuft verdächtig rund in Gelsenkirchen: Im Verein herrscht Friede, der Vorstand ist tüchtig, die Aufsichtsbehörden goutieren die Finanzen, und der Sport lockt 62 271 Leute in die Arena - just ein Jahr nach dem Abstieg, der gemäß der Schalker Neigung zur Katastrophe mehr war als bloß eine sportliche Deklassierung: Er glich einem Nervenzusammenbruch bei gleichzeitigem Verlust der Existenzgrundlage.

Eine umstrittene These besagt, dass der Abstieg für übergewichtige Traditionsvereine heilsam wirken kann. Köln, Frankfurt und Stuttgart mögen die Theorie unter allerlei Vorbehalten bestätigen, Schalke und Werder schließen sich vielleicht gerade an. Am Hamburger SV zeigt sich aber auch: Läuterung durch Abstieg ist nur im Fall des zügigen Wiederaufstiegs empfehlenswert.

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