Süddeutsche Zeitung

HSV in der zweiten Liga:Das schlimmste Szenario droht

Lesezeit: 2 min

Von Carsten Scheele

Uwe Seeler geht es nicht gut. Vor zwei Jahren hatte er eine Tumor-OP, der Rücken schmerzt, aktuell macht ihm aber vor allem das Gemüt zu schaffen. Seeler ist in tiefer Sorge über seinen Lieblingsverein. Er sehe den "schlechtesten HSV der Geschichte", urteilte Seeler in dieser Woche harsch über die Hamburger Fußballer. Seeler wird in diesem Jahr 83 Jahre alt. Er sagt: "Ich hoffe, ich werde den HSV noch mal in der Bundesliga sehen."

Die aktuelle Lage des Zweitligisten HSV lässt viele weitere Hamburger derzeit nicht gut schlafen. Der Aufstieg war das klar formulierte Ziel für die erste Spielzeit überhaupt in der zweiten Liga, der Abstieg ohnehin eigentlich nur ein Unfall. Nun ist der HSV: Vierter! Zwei Spieltage vor Schluss! Die Konstellation ist so, dass Hamburg noch als Zweiter aufsteigen, aber auch in der Relegation landen - oder sogar ganz leer ausgehen könnte. Der Optimismus ist nach fünf Spielen ohne Sieg nicht sonderlich groß, Trainer Hannes Wolf sagt trotzdem: "Wir haben noch zwei Spiele. Wenn wir die beide gewinnen, sind wir mindestens Dritter."

Das ist richtig gerechnet, allerdings müsste der HSV dazu erst am Sonntag das Topspiel beim Tabellenzweiten Paderborn gewinnen, danach das Heimspiel gegen den MSV Duisburg - und dann gucken, was Union Berlin (aktuell Dritter) macht. Zumindest den Relegationsplatz hat der HSV selbst in der Hand - aber auch das schlimmste Szenario: den direkt verpassten Aufstieg, der sich wie ein weiterer Abstieg anfühlen würde.

Die Fans wollen Holtby zurück - der HSV lehnt ab

Trainer Wolf geht nach dem 0:3 gegen den Abstiegskandidaten Ingolstadt angezählt in die entscheidenden Spiele; ihm scheint seit dem 4:0 im Derby gegen den FC St. Pauli vor zwei Monaten nichts mehr zu gelingen. Sportvorstand Ralf Becker hat sich zwar vor den Trainer gestellt; er sehe es nicht ein, den Coach zu wechseln, nur weil dies in der Branche halt so üblich sei. Allerdings ist Wolf vermutlich auch deshalb noch im Amt, weil der HSV in dieser Saison schon einmal den Coach gewechselt hat - und in Bernd Hollerbach, Markus Gisdol und Christian Titz noch drei vor ihm entlassene Übungsleiter auf der Gehaltsliste stehen.

Überhaupt, die Finanzen. Der Klub ist hoch verschuldet, ein weiteres Zweitligajahr wäre nur schwer zu verkraften. Zwar hat der neu gewählte Klubpräsident Marcell Jansen kürzlich im Abendblatt gesagt, der HSV könne sich "noch ein oder zwei Jahre" in der Unterklassigkeit leisten, "ohne dass uns der ganze Laden um die Ohren fliegt". Die finanziellen Zwänge lassen sich jedoch nicht leugnen: Durch ein weiteres Jahr in der zweiten Liga würden dem HSV rund 15 Millionen Euro an Fernsehgeldern fehlen, ebenso einige Millionen von den Sponsoren. Zwangsläufig würde der Spieleretat sinken, von aktuell rund 29 Millionen Euro auf etwa 23 bis 25 Millionen. Der Aufstieg wäre dann noch schwieriger zu erreichen.

Also soll es bereits in dieser Saison gelingen, die Panik greift um sich. Erst recht, da nun auch noch Orel Mangala, die belgische Leihgabe aus Stuttgart, mit einem Muskelfaserriss ausfällt. So gehen Wolf vor dem Paderborn-Spiel die Mittelfeldspieler aus, was die Morgenpost veranlasste, seine Leser über eine mögliche Rückkehr des suspendierten Lewis Holtby abstimmen zu lassen. Das Ergebnis: 74 Prozent votierten für Holtby, der Klub antwortete jedoch zugleich: Eine Begnadigung werde es nicht geben, und Holtby kein Spiel mehr für den HSV absolvieren.

Stattdessen können die zuletzt verletzten Rick van Drongelen und Gotoku Sakai gegen Paderborn wohl spielen. Auch bei Kapitän Aaron Hunt besteht Hoffnung. Wolf entschied sich vor dem Spiel gegen ein Kurzzeittrainingslager - auch auf "Wunderheiler, die kommen und Kerzen anzünden" (Wolf) verzichtete er. Ihm sei vielmehr "wichtig, dass die Jungs wissen, dass wir noch viel zu gewinnen haben". Sein Appell: "Wir müssen die Angst zu Kraft machen."

Wer die HSV-Profis zuletzt gesehen hat, insbesondere gegen Ingolstadt, der ahnt: Einfach wird das nicht.

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