Süddeutsche Zeitung

1. FC Nürnberg:Vertauschte Rollen

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Der Club präsentiert sich vor dem Abstiegsgipfel wie ein Absteiger. Trainer Michael Köllner will "die Woche noch retten", aber Torwart Christian Mathenia warnt: "Mit dieser Leistung gibt es in Hannover ein böses Erwachen."

Michael Köllner stapfte rund 15 Stunden nach dem Pokaldebakel von Hamburg auf den Trainingsplatz am Valznerweiher, die Hände in den Taschen, die Stimmung getrübt. Der Trainer des 1. FC Nürnberg hatte nach dem "Scheißspiel" vom Dienstagabend noch immer viel zu grübeln. "Mich ärgert maßlos, dass wir so eine Chance haben liegen lassen", hatte der 49-Jährige schon kurz nach der 0:1 (0:0)-Niederlage im Achtelfinale des DFB-Pokals beim Hamburger SV gesagt. Der Club verpasste den ersten Viertelfinaleinzug seit 2011, noch schwerer wog aber der besorgniserregende Eindruck kurz vor dem Krisengipfel beim Bundesligaletzten Hannover 96 am Samstag (15.30 Uhr). Vor dem Abstiegsgipfel hatte sich der Club wie ein Absteiger präsentiert.

1:20 Torschüsse standen aus der Sicht des Erstligisten, des nominellen Favoriten, am Ende der Partie zu Buche. "Ich weiß nicht, ob einige nicht frei im Kopf waren, weil wir am Samstag ein wichtiges Spiel haben", sagte Nürnbergs Kapitän Hanno Behrens, der schwer enttäuscht war über den Auftritt. Auch Christian Mathenia wählte drastische Worte. "Unsere Leistung ist unerklärlich", sagte der Torhüter, der sich eine ganz andere Rückkehr nach Hamburg vorgestellt hatte: "Wir müssen uns bei unseren tollen Fans entschuldigen. Mit dieser Leistung gibt es in Hannover ein böses Erwachen."

Der 1. FCN hatte drei Tage nach dem positiv gewerteten 1:1 gegen Werder Bremen einen schweren Rückfall erlitten. Der Treffer von Berkay Özcan (54.) vor 47 628 Zuschauern war hochverdient, eine Reaktion der Gäste darauf blieb aus. Neben der extrem einseitigen Torschussstatistik sprachen auch noch weitere Zahlen gegen die Gäste: Lediglich 39 Prozent Ballbesitz verzeichnete der FCN und gewann nur 45 Prozent der Zweikämpfe. "Jetzt sehen wir zu, dass wir die Woche noch retten können", sagte Köllner, der einen Spagat bewältigen musste: Er konnte nicht einfach so zur Tagesordnung übergehen, die Analyse dauerte entsprechend lange. Aber er musste den Fokus natürlich auch gen Hannover verschieben, das Duell bei 96 ist wegweisend für beide Klubs. Hannover ist mit elf Punkten Letzter, Nürnberg hat einen Zähler mehr. Nur Stuttgart (15) und Augsburg (18) scheinen derzeit in Reichweite zu sein.

"Wir müssen jetzt schauen, dass wir wieder Boden unter die Füße kriegen", sagte Köllner. Der große Druck auf den von Sportvorstand Andreas Bornemann immer wieder gestützten Coach nimmt weiter zu. Die englische Woche mit den Süd-Nord-Duellen gegen Bremen (1:1) am Samstag, in Hamburg (0:1) am Dienstag und eben in Hannover halte eine "Charakter-, Mentalitäts- und Willensfrage" für seine Mannschaft bereit, hatte Köllner angekündigt. Die ersten Antworten waren ungenügend.

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SZ vom 07.02.2019 / sid, dpa
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