Süddeutsche Zeitung

1. FC Nürnberg:Blitzstart in die Premier League

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Nach nur neun Zweitliga-Spielen mit fünf Toren wechselt Abdelhamid Sabiri vom 1. FC Nürnberg zu Huddersfield Town und zum deutschenTrainer David Wagner.

Von Sven Haist

Als er 19 war, gelang Abdelhamid Sabiri sein erstes Tor in Dortmund. Wer nur die nackte Information zur Kenntnis nimmt, könnte auf die Idee kommen, da hätte mal wieder ein Talent die Bundesliga gerockt. Es gibt aber weitere Fakten: Das Tor zum 1:1 erzielte Sabiri für die Sportfreunde Siegen. Er traf nicht im ausverkauften Stadion von Borussia Dortmund, sondern auf dem Sportgelände des ASC 09 Dortmund. Zugeschaut haben im April 2016 im Stadion nicht Zehntausende, es waren nur 349 Besucher, die sich damals für die fünfte Liga interessierten.

Um den Sprung in den Profifußball zu schaffen, bedurfte es des Wechsels aus Siegen zum 1. FC Nürnberg. Und dort des Zusammenspiels von Dieter Nüssing, dem Talentscout, mit Alois Schwartz, dem damaligen Chefcoach, sowie Michael Köllner, dem damaligen Amateurcoach. Nüssing war durch 17 Tore in der Oberliga Westfalen auf Sabiri aufmerksam geworden. Und Köllner formte den Stürmer in der U21 zu jenem Profi, den Schwartz im Januar 2017 in der zweiten Liga debütieren ließ. Eine Laufbahn im Schnelldurchgang, eine Laufbahn wie sie nur der Sport kennt.

Es ging ja weiter: Sabiri gelangen in neun Spielen fünf Tore - und bei den Fans keimte die Hoffnung, da sei wieder einer, der den Weg in die erste Liga weisen könne. Zumal neben Sabiri weitere Talente in den Profikader gelangten. Mit dem Trend zur Jugend wollte der Club endlich wieder eine Welle der Sympathie erwischen.

Auf der surft der Club zwar gerade - er hat von seinen drei Zweitliga-Startspielen zwei gewonnen und gegen Union Berlin ein fulminantes 2:2 erzielt -, aber fortan ohne Sabiri. Der reiste hinüber auf die Insel. Zu Huddersfield Town, dem Überraschungsteam der Premier League. Dem Tabellenzweiten, der trainiert wird vom Deutschen David Wagner. Rund zwei Millionen Euro lassen sich die Engländer den Transfer kosten; Nürnberg würde zudem an einem Weiterverkauf partizipieren. "Der Transfer ist für alle Beteiligten das Beste", stellt FCN-Sportvorstand Andreas Bornemann fest, "weil nicht nur die anderen Parteien davon profitieren, sondern auch wir finanziell ordentlich entschädigt werden für unsere Aufbauarbeit mit dem Spieler."

Bereits im Juli flatterte ein erstes Angebot des englischen Aufsteigers herein, das Sabiri den Kopf verdrehte, aber von Nürnberg abgelehnt wurde. Das Gebot bewegte sich unterhalb der Millionengrenze. Mit eigenwilligen Methoden drängte Sabiri fortan auf seinen Umzug. Zunächst überwarf er sich mit den Kollegen und weigerte sich, bei der zweiten Mannschaft auszuhelfen. Schließlich legte er dem Verein ein ärztliches Attest vor, das ihn vom Trainingsdienst befreite. Doch weiterhin wurden unter Sabiris Namen irritierende Botschaften in den sozialen Medien verbreitet, die im Club für Unruhe sorgten.

Die Nürnberger hätten also Grund, verärgert über Sabiri zu sein. Köllner, der längst nicht mehr die U21, sondern heute die Zweitliga-Auswahl trainiert, sagt jedoch: "Ich wünsche ihm nichts Schlechtes. Er soll erreichen, was er sich vorstellt. Schließlich ist er mein Spieler gewesen." Das Enttäuschende sei nur, dass "wir mit ihm geplant haben". Am Mittwoch schickte Köllner in der Mittagspause eine Kurznachricht an Sabiri. Damit sei die Sache für ihn abgeschlossen.

Mit drei Jahren kam Sabiri aus Marokko nach Deutschland, in Frankfurt wuchs er in bescheidenen Verhältnissen auf. Das höhere Gehalt in England dürfte ihm natürlich geschmeichelt haben. Insgeheim galt es als Sabiris Lebenstraum, dort bei einem Verein unter Vertrag zu stehen. Was fraglich bleibt, ist, wie bei so vielen Transfers in diesem hektischen Sommer, die Methode: Was ist das Papier noch wert, auf dem ein Arbeitsvertrag geschlossen ist?

Sabiri, 20, gilt als Draufgänger, der seine Laufwege intuitiv zu kennen scheint. Eine gewisse Kompromisslosigkeit half, sich binnen eines Jahres aus der fünften in die zweite Liga zu hieven. Dabei zeigte er Fertigkeiten am Ball und eine geschulte Schusstechnik, zudem Variabilität für jede Position im Angriff. In seiner Startphase in Nürnberg schob er unter Köllners Regie Zusatzschichten, so eignete er sich die Qualität für Standardsituationen an.

Nun aber passt er ins Beuteschema von David Wagner, der einst unter Liverpool-Coach Jürgen Klopp der Amateurtrainer von Borussia Dortmund war. Seit Wagner im November 2015 in England begann, bediente er sich mit Vorliebe in der alten Heimat. Sechs Kicker mit Vergangenheit in deutschen Ligen stehen bereits im Kader, jetzt sind es bald acht: neben Sabiri schließt sich wohl Florent Hadergjonaj vom FC Ingolstadt dem Klub an. Auch der Schweizer Nationalspieler hatte zuletzt bei den Schanzern alles andere als Dienst nach Vorschrift geleistet. In England wird bereits gefragt, wie lange Wagner wohl noch braucht, bevor er eine komplette Elf aus den deutschen Ligen zusammen hat.

"Wir haben dem Spieler nahe gelegt, Schritt für Schritt zu gehen", bedauert Bornemann. Aber Sabiri sei halt einer, der lieber fünf Schritte auf einmal mache.

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Quelle:
SZ vom 24.08.2017
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