Süddeutsche Zeitung

1. FC Nürnberg:Die Vergesslichen

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Der Club lässt sich vom Tabellen-Vorletzten Eintracht Braunschweig ein Spiel mit vielen Kopfballstafetten bei minimalem Raumgewinn, vielen taktischen Fouls und viel Theatralik aufzwingen. So gelingt es ihm nicht, den Vorsprung auf die Abstiegsplätze auszubauen.

Von Christoph Ruf

Es war die letzte Aktion des Spiels. Und hätte man die 91 Minuten vorher nicht gesehen gehabt, man hätte sich fast vorstellen können, dass daraus so etwas wie Torgefahr entstehen könnte. In der Vorwärtsbewegung hatte Braunschweigs Jannis Nikolaou den Ball verloren, den sich prompt Robin Hack schnappte. Allerdings natürlich nur, um dann 40 Meter weiter vorne einen so unsauberen Pass auf Nikola Dovedan zu spielen, dass der den Ball sofort wieder verlor. Kurz darauf war Schluss. Statt des erhofften Sieges hatte der Club nur ein zähes 0:0 gegen einen Abstiegskandidaten zustande gebracht. Statt sich zumindest ein Stückchen weiter von den Abstiegsplätzen abzusetzen, bleibt der Sechs-Punkte-Abstand auf den drittletzten Platz bestehen.

25 eingesetzte Feldspieler bringen in 90 Minuten einen einzigen Schuss aufs Tor zustande

Noch deprimierender als die nackten Zahlen war aus Nürnberger Sicht die Art und Weise, wie das Ergebnis zustande kam. Der Club hatte - abgesehen von zwei zu Recht wegen Abseits aberkannten Treffern - nur eine einzige Torchance. Braunschweigs Torhüter Jasmin Fejzic bekam kurz vor der Pause tatsächlich einmal etwas zu tun, als Dovedan ihn mit einem 16-Meter-Schuss prüfte (42.). Die Statistik zum Spiel sagte dann im Grunde auch alles Wesentliche über die tristen 90 Minuten aus. Denn die erwähnte Dovedan-Chance war der einzige Schuss aufs Tor, den die 25 eingesetzten Feldspieler in 90 Minuten zustande brachten. Wie Club-Keeper Christian Mathenia da zur Einschätzung kommen konnte, sein Team habe die "qualitativ besseren Torchancen" gehabt, blieb rätselhaft. Doch auch zwischen den beiden Strafräumen reichte der Nürnberger Vortrag nicht, um gegen eine in jeder Hinsicht typische Zweitliga-Mannschaft der unteren Tabellen-Hemisphäre so etwas wie spielerische Überlegenheit aufbauen zu können.

Interessanterweise hatte Trainer Robert Klauß seiner Mannschaft allerdings schon vor der Partie das zweifelhafte Kompliment gemacht, sie lerne ebenso schnell, wie sie das Erlernte wieder vergesse. Und tatsächlich war dieses Spiel im Vergleich zum 1:0-Sieg in Karlsruhe wieder ein Rückschritt - vor allem in fußballerischer Hinsicht. Vergessen hatten die Nürnberger offenbar unter der Woche, wie sie sich im Badischen ein paar gute Gelegenheiten erarbeitet hatten - und zwar durchaus mit spielerischen Mitteln. Gegen Braunschweig ließen sie sich nun am Sonntag ein Spiel aufzwingen, das von vielen Kopfballstafetten bei minimalem Raumgewinn, vielen taktischen Fouls und viel Theatralik geprägt war.

Mats Möller-Daehli bleibt am Boden auf verlorenem Posten

Immerhin: Der Club hielt dagegen, die Defensive stand gut - bei den Sekundärtugenden gab es nichts auszusetzen. Spielerisch blieb man hingegen alles schuldig: Mats Möller-Daehli, in den vergangenen beiden Spielen einer der besten Club-Akteure, blieb bei dem auf Luftduellen basierenden Kick am Boden auf verlorenem Posten, Johannes Geis und Dovedan bemühten sich erfolglos, den Ball wenigstens hin und wieder einmal am Fuß zu halten. Doch darin erschöpfte sich das kreative Potenzial beim Club vollauf. Die beiden Innenverteidiger, Lukas Mühl und Georg Margreitter, verteidigten leidenschaftlich und effizient. Doch weder der eine noch der andere hat seine Kernkompetenz in der Spieleröffnung.

Und die so genannte Brechstange? Wenn einmal ein Ball mit Schärfe und Präzision in den gegnerischen Strafraum geschlagen wurde, war das bei einer Braunschweiger Angriffsaktion. Während der Club im zweiten Durchgang überhaupt keinen Druck mehr aufs gegnerische Tor ausübte, kam der Gast so immerhin zu einigen Abschlüssen. Besorgniserregend waren die aus Nürnberger Sicht aber auch nicht. "Wenige Torchancen auf beiden Seiten" hatte dann auch Klauß gesehen. Kritik am mauen Auftritt relativierte er: "Nach vorne hin hat uns die Genauigkeit gefehlt. Die Entscheidungen, bei denen man Selbstvertrauen braucht, haben heute nicht so gepasst, aber gegen den Ball waren wir aktiv und hatten vor der Halbzeit auch offensiv eine starke Periode."

Mit der Ausbeute - vier Zähler aus den vergangenen zwei Spielen - war der Club-Trainer zufrieden: "Wir sind in einer Phase der Saison, in der wir punkten müssen." Nach den Eindrücken vom Sonntag darf man davon ausgehen, dass diese Phase im schlimmsten Falle bis zum Saisonende andauern könnte.

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