Süddeutsche Zeitung

1. FC Nürnberg:Auf der Suche nach neuen Gesichtern

Lesezeit: 3 min

Olaf Rebbe bekommt beim Club den Titel Sportdirektor, soll sich neben Sportvorstand Dieter Hecking aber vor allem als Kaderplaner und Chefscout betätigen und Transfers vorbereiten. Der Kader für die kommende Saison nimmt bereits Konturen an.

Von Christoph Ruf

Dieter Hecking hat schon in einigen Städten gearbeitet - als Spieler, Trainer und Sportdirektor. Egal, wo das war, ob in Wolfsburg, Leipzig, Mönchengladbach oder Kassel, stets wurde in irgendeinem Pressebericht seine "typisch norddeutsche Art" gepriesen. Dass der im Ruhrgebiet geborene Hecking gar kein Norddeutscher ist, tut dabei weniger zur Sache als der Umstand, dass er offenbar überall als ruhiger und sachlicher Mensch wahrgenommen wurde.

Umso bemerkenswerter, dass ebendieser Hecking im Fränkischen ganz anders wahrgenommen wird. Schon mehrfach sei er vor einem Spiel gefragt worden, warum er denn so gut gelaunt sei, berichtet er: "Die Erwartungshaltung vor unseren Spielen ist: Es geht ja eh wieder schief."

Nun ist Hecking nicht der Einzige, der sich zuweilen über das notorisch-pessimistische Club-Umfeld wundert. Doch dass es in dieser Spielzeit - und im Grunde seit der Saison 2017/2018 - nicht allzu viele Gründe gibt, um als Clubfan vor Freude die Wände empor zu klettern, das weiß auch Hecking, der nicht kommentieren möchte, wie gelungen er die Kaderplanung seiner Vorgängers Robert Palikuca findet. Olaf Rebbe ist nun für Scouting und Transfers verantwortlich und arbeitet somit Hecking zu: "Wir haben uns für den Titel ,Sportdirektor' für Olaf entschieden, anderswo heißt das vielleicht 'Kaderplaner' oder 'Chefscout'. Tatsache ist, dass er sich um das operative Geschäft kümmern und die Transfers vorbereiten wird."

"Draufhauen bringt nichts, das beruhigt nur manche Teile der Öffentlichkeit", sagt Hecking

Rebbe dürfte einer von wenigen Funktionären im Profifußball sein, der seine Karriere über ein Schüler-Praktikum, damals bei Borussia Dortmund, ins Rollen brachte. Seither hat der 42-Jährige Stationen in sportlicher Leitung in der Premier League (Huddersfield), in Griechenland (PAOK Saloniki) und in der Bundesliga (Wolfsburg) vorzuweisen. Welcher Spieler künftig beim Club verpflichtet wird, entscheiden Hecking, Rebbe und der Cheftrainer, der, das versichert Hecking, auch in der kommenden Saison Robert Klauß heißen wird.

Dass Klauß in dieser Saison mit einem Kader arbeiten musste, der vielleicht tatsächlich nicht mehr Qualität hat, als der derzeitige Tabellenplatz (13.) aussagt, dürfte hierbei eines der Argumente für eine Weiterbeschäftigung des jungen Coaches sein, der diesen Kader nicht zusammengestellt hat. Auch seine Positivrhetorik, die vor Ort viele Fans und Journalisten nervt, verteidigt Hecking: "Wir haben eine Mannschaft beisammen, die den Druck, unter dem sie steht, enorm verinnerlicht. Es genügt ein Gegentor und man merkt einigen Jungs an, wie die negativen Gedanken überhand gewinnen." Gefragt sei da ein Trainer, der nach einem missglückten Torschuss den Mut zum Abschluss lobe. "Draufhauen bringt nichts, das beruhigt nur manche Teile der Öffentlichkeit."

Derweil nimmt der Kader für die kommende Saison bereits Konturen an. Der langjährige Kapitän Hanno Behrens wird den Verein nach sechs Jahren ebenso verlassen wie die beiden Innenverteidiger Georg Margreitter und Lukas Mühl. Auch die defensiven Außenbahnen stehen unter Beobachtung. Dort sondiert der Club ebenso den Markt wie im Mittelfeld. "Klar ist", sagt Hecking, "dass wir eine starke zentrale Achse brauchen. Aber fast jeder Verein sucht derzeit einen fußballerisch starken defensiven Sechser, da sind wir nicht die Einzigen."

Mats Möller-Daehli, dessen Leihe im Sommer endet, soll nach Möglichkeit gehalten werden

Dass die Unzufriedenheit nicht nur mit dem Tabellenplatz zu tun hat, weiß Hecking. Und er dementiert auch nicht, dass so mancher Auftritt - wie zuletzt das 1:1 in Würzburg - auch für gutmütige Augenzeugen schwer zu ertragen war. Auch ein Grund, warum Mats Möller-Daehli, dessen Leihe im Sommer endet, nach Möglichkeit gehalten werden soll. "Insgesamt müssen wir die fußballerische Qualität im Kader stetig erhöhen." Zumal ein Umbruch auch atmosphärisch Charme hätte. "Nach den letzten drei Jahren sehen wir uns als Verein auch in der Bringschuld, etwas zu verändern und neue Gesichter zu präsentieren." Rebbe ist das erste neue Gesicht - und soll nun die Vorarbeit für weitere leisten.

Im Sturm wähnt man sich gut aufgestellt. Wenn Felix Lohkemper und Pascal Köpke wieder fit sind, wäre man zusammen mit Fabian Schleusener und Manuel Schäffler gut besetzt. Zumal mit Dennis Borkowski und Erik Shuranov zwei Teenager an den Startelf-Plätzen kratzen, die selbst den Dauer-Nörglern unter den Fan-Foristen - hier verbietet sich selbst in Nürnberg eine Gleichsetzung - Spaß machen. "Was öffentlich kaum wahrgenommen wird, ist, wie viele junge Spieler in dieser Saison zu Profieinsätzen gekommen sind. Das muss auch mittelfristig der Weg sein", meint Hecking. Zumal sich künftig wohl auch nur dann wieder sechs- oder siebenstellige Einnahmen generieren lassen, wenn selbst ausgebildete Spieler an Bundesligisten verkauft werden. Ob Mittelfeldmann Fabian Nürnberger, der gegenüber der Bild-Zeitung Erstliga-Ambitionen anmeldete, den Verein im Sommer verlassen wird, sei offen, sagt Hecking. Es sei noch kein Verein auf ihn zugekommen.

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