Süddeutsche Zeitung

1. FC Köln:Abstiegskampf ohne Torschuss

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Der FC setzt seine Heimmisere auch beim 0:0 gegen Hertha BSC fort - und kann von Glück sagen, dass die Berliner erst spät anfangen, offensiv zu spielen.

Von Milan Pavlovic, Köln

Es gab zwei charakteristische Momente für das 0:0 zwischen dem 1. FC Köln und Hertha BSC. In der ersten Szene hatten sich die Gäste eine gute Feldposition erarbeitet, Lucas Tousart kurvte in die Mitte und gab einen satten Torschuss ab - doch das Einzige, was er in der 33. Minute traf, war sein am Boden liegender Mitspieler Peter Pekarik. Von dessen Körper prallte der Ball zurück in den Lauf von Tousart, dessen zweiter Versuch weit über das Tor in die leere Fankurve flog.

Szene zwei: In der Nachspielzeit der ersten Halbzeit drosch der Kölner Außenverteidiger Kingsley Ehizibue den Ball brachial aus der Gefahrenzone weg; viele dachten, die Kugel würde im zweiten Rang landen, offenbar auch mehrere Herthaner, die sich neu sortierten. Darunter Defensivspieler Maximilian Mittelstädt, der sich bereits einen anderen Ball reichen ließ, um einen Einwurf auszuführen - doch zu diesem Zeitpunkt landete Ehizibues Befreiungsschlag nach einem kurzen Abstecher zum Mond tatsächlich im Feld. Dominik Drexler sammelte den Ball ein, endlich hatte ein Kölner mal etwas Raum, doch dann legte er sich im Übereifer das Spielgerät zu weit vor, wurde gefoult - und vorbei war die Chance.

Für beide Klubs, insbesondere die beiden Trainer, war der Punkt an der unteren Grenze der Notwendigkeit. Köln baute zwei Negativmarken aus: Es war das 14. Heimspiel in Serie ohne Dreier (letztes Erfolgserlebnis: am Schaltjahrtag im Februar 2020, beim 3:0 gegen Schalke 04) und die fünfte Partie hintereinander ohne eigenen Torerfolg. Man konnte nicht richtig erkennen, wie sich das ändern soll. In 90 Minuten gab es nicht einen wirklich gefährlichen Torschuss, mit etwas gutem Willen waren zwei Halbchancen zu registrieren. Markus Gisdol hatte zwar "einige Durchbrüche auf den Flügeln" gesehen, ohne dass daraus etwas entstanden wäre. Aber der Coach gab auch zu, dass es ihm an diesem Nachmittag, eine Woche nach dem entwürdigenden 0:5 in Freiburg vor allem darum gegangen sei, "hinten stabil zu stehen".

Der eingewechselte Cunha glänzt und flucht

Für die ersten 60 Minuten traf das durchaus zu, aber danach bekam das Spiel durch zwei Wechsel Schlagseite: Die Berliner schickten in Matheus Cunha einen echten Zehner aufs Feld (60.), anstelle von Dodi Lukebakio, der nicht bloß eine falsche, sondern auch eine schlechte Zehn abgegeben hatte. "Dodi hat einige falsche Entscheidungen getroffen", monierte Berlins Trainer Bruno Labbadia. Auf Kölner Seite verließ Stabilisator Jonas Hector angeschlagen das Feld (69.), und mit einem Mal erhöhten die Gäste das Tempo und kamen zu drei Großchancen, weil Cunha nach einer Verletzungspause die richtigen Entscheidungen traf: Piatek schoss knapp neben das Tor (74.), Guendouzi zwang Torhüter Timo Horn mit einem verdeckten Schuss zu einer Glanzparade (75.), und als Cunha und Guendouzi feinsten Kleinfeld-Fußball präsentierten (83.), musste der Pfosten für den FC retten. Richtig stabil sah Kölns Defensive da nicht mehr aus. Erst recht nicht bei einer happigen Konterchance, als vier Berliner auf zwei Kölner zuliefen (90.+3) - doch Cunha stoppte den Angriff höchstpersönlich mit einem unsinnigen Hackentrick.

Der Brasilianer war spielerisch herausragend, lieferte aber auch jenseits des Sportlichen die Schlagzeilen, als er im leeren Stadion ein gut vernehmbares "Fuck You!" Richtung Kölner Bank schrie - und sich einige Minuten später entschuldigte. Da sah sich Bruno Labbadia genötigt, Partei zu ergreifen: "Wenn wir jetzt alles auf die Goldwaage legen, machen wir das Spiel kaputt. Wir Trainer haben auch mal Scharmützel draußen - wir wollen doch die Emotionen." Entscheidend sei am Ende, "wie man damit umgeht" - und Cunha habe sich ja doch rasch entschuldigt". Trainerkollege Gisdol nickte und gab zu verstehen: "Ich bin niemand, der Polizist spielt und sagt, was das hätte geben müssen." Es sei "momentan ein sensibles Thema, weil man jedes Wort mitbekommt. Aber wir sind alle keine Lämmer auf dem Sportplatz".

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