Süddeutsche Zeitung

Reiseverkehr:Wie der Osterurlaub mit der Flüchtlingskrise kollidiert

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Viele Urlauber werden bald selbst erfahren, wie Europa die Grenzen dichtmacht. Reisende aus dem Süden müssen sich am Brenner auf Kontrollen einstellen - und auf lange Staus.

Von Matthias Köpf

Den meisten deutschen Osterurlaubern scheint die Balkanroute eher fernzuliegen, und wenn sie in diesen Tagen wieder zuverlässig an den Gardasee, in die Toskana oder in die Tiroler Skigebiete fahren, dann müssen sie nicht mit viel mehr rechnen als mit den üblichen Staus im Ferienverkehr. Doch wenn sie nach ein paar Tagen nach Hause wollen, dann können viele Urlauber diesmal selbst erfahren, wie Europa die Grenzen dichtmacht. Denn Österreich hat genaue Kontrollen am Brenner angekündigt. Und die deutsche Bundespolizei hat längst an den Autobahnen bei Passau, Salzburg und im Inntal Posten bezogen. Die Folge sind - schon ohne zusätzlichen Reiseverkehr - kilometerlange Staus und das stete Mantra im Verkehrsfunk: "Behinderungen bei der Einreise."

Grenzkontrollen und Schleierfahndung

Seitdem über die Balkanroute praktisch keine Flüchtlinge mehr in Österreich ankommen, ist auch die deutsche Bundespolizei kaum mehr mit dem abgesprochenen Übergabeverfahren für Asylbewerber beschäftigt. Sie verlegt sich stattdessen auf Grenzkontrollen und die Schleierfahndung. Die inzwischen wenigen Hundert Asylbewerber pro Tag, die sie noch registriert, greift sie oft auf diese Weise auf. Doch intensivere Kontrollen bringen nicht nur mehr Aufgriffe, sondern auch mehr Verkehrsbehinderungen und Ärger in den Grenzregionen, die gleichsam als ganze im Dauerstau stehen.

Den Beschwerden der Lokalpolitiker gibt der Bund nun nach, indem er seine Polizisten an den Autobahnen durchgehend auf zwei Fahrstreifen kontrollieren lässt, statt einspurige Engstellen samt Rückstau zu erzeugen. Auf der A 3 bei Passau und der A 93 durch das Inntal sollen die Voraussetzungen dafür noch vor den Feiertagen geschaffen sein. An der A 8 bei Salzburg lässt der Bund auf deutscher Seite sogar eine neue Kontrollstation bauen, doch die wird frühestens nach den Osterferien fertig.

Eine neue informelle Schmerzgrenze

Für den Reiseverkehr haben die Behörden dort vorerst eine neue informelle Schmerzgrenze gesetzt: Statt bisher ab fünf Kilometern soll die Bundespolizei nun schon ab drei Kilometern Rückstau die zweite Spur freigeben. Dann können die Polizisten den vielen Fahrzeugen aber eher nur beim Vorbeirollen zuschauen, als sie wirklich zu kontrollieren.

Dagegen haben sich die Österreicher inzwischen darauf vorbereitet, den Brenner notfalls abzuriegeln. Für ein "Grenzmanagement" wie an der slowenischen Grenze bei Spielfeld stehen nach Angaben des Wiener Innenministeriums die nötigen Zäune, Sperrgitter und Container bereit. Einsetzen werde man die aber nur, wenn sich der Flüchtlingsstrom nach Norden erkennbar vom Balkan auf die Brennerroute verlagere. Es sei aber nicht im Interesse Österreichs, den Reiseverkehr lückenlos zu kontrollieren, heißt es aus Wien.

Die österreichische Tourismusindustrie erwartet diesen Reiseverkehr ohnehin mit gewohnter Zuversicht. Das gilt diesmal auch für den oberbayerischen Tourismusverband, der sonst eher mit einer Mischung aus Neid und Bewunderung über die Grenze blickt. Denn für Oberbayern rechnet der Verband aktuell mit steigenden Zahlen, weil viele Gäste angesichts der Kontrollen bei der Rückreise diesmal schon diesseits der Grenze Urlaub machen könnten.

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Quelle:
SZ vom 19.03.2016
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