Süddeutsche Zeitung

Reisebuch "City Light":So hell leuchten nachts die Städte

Lesezeit: 2 min

Vincent Laforet hat zehn Millionenstädte bei Nacht aus der Luft fotografiert. Seine Bilder zeigen alle mit eigenem Charakter - zwischen Vitalität und Verschwendung, Gewimmel und immenser Ruhe.

Rezension von Stefan Fischer

Berlin ist noch heute zweigeteilt. Man sieht das der Stadt an, wenn man nachts mit einem Helikopter über sie hinwegfliegt. Oder - das ist weitaus einfacher zu realisieren -, wenn man die Fotografien des Franko-Amerikaners Vincent Laforet betrachtet. Der hat die Sache mit den Helikopter-Flügen übernommen, stellvertretend für ein neugieriges Publikum. Zehn Metropolen hat er aus jeweils 1500 bis 3000 Metern Höhe mit der Kamera porträtiert, also vor allem deren Abbilder aus Licht. Darunter neben einem halben Dutzend US-amerikanischen Millionenstädten auch Berlin.

Noch heute ist das künstliche Licht, das die Nächte erhellt, im ehemaligen Ostteil der deutschen Hauptstadt von einem warmen Gelb, also weniger grell; der Westen hingegen leuchtet im Vergleich dazu kälter, kräftiger, blauer. Wobei dieses Blau mal auch ins Grüne, mal ins Violette kippt. Glaubt man der Einschätzung von Laforet, dann zeigt sich am Beispiel eines Berlin-Panoramas, das in dem Band "City Lights" zu sehen ist, exemplarisch zugleich die Vergangenheit und die Zukunft der urbanen Nachtporträts: Die Lichtmuster der Großstädte würden mit zunehmender Modernisierung zwangsläufig homogener, mutmaßt der Fotograf. Das breite Farbspektrum, das er einfangen konnte, werde sich wohl verengen.

Dass Fotografien wie die von Vincent Laforet inzwischen überhaupt möglich sind, hängt wiederum ebenfalls mit einer technischen Modernisierung zusammen: Die Sensoren der Kameras sind nunmehr derart leistungsfähig, dass auch nachts aus einem rüttelnden Helikopter heraus scharfe Bilder möglich sind.

Die ersten Fotografien in dem Band zeigen New York, anfangs aus einer geringen Höhe und im Dämmerlicht - Motive, wie sie einem aus der Luftfotografie bereits vertraut sind. Dann aber wächst die Distanz und das natürliche Licht verschwindet. Aus einer Ansammlung von Häusern werden Strukturen. Manchmal stehen architektonische Sehenswürdigkeiten im Fokus, aber auch bei ihnen betont Vincent Laforet die grafische Funktion für die gesamte Komposition. Häufig löst sich das einzelne Gebäude auf in den Häuserfluchten, und dennoch ist der Beton noch sichtbar, definiert er die Form einer Stadtlandschaft in der Draufsicht. Häufig ist es jedoch ausschließlich das Licht, das zu sehen ist, werden die Städte zu einem Energiefeld - Ausdruck einer Verschwendung und zugleich von Vitalität.

Nur für Paris hat der Fotograf keine nächtliche Flugerlaubnis erhalten

Die nächtlichen Abbilder von New York, Chicago, Los Angeles, San Francisco und Miami sind zu sehen, dazu die von Berlin, London, Barcelona und Sydney. Alle haben sie einen eigenen Charakter. In New York dominieren auch aus großer Höhe die Wolkenkratzer, in den europäischen Städten die Ringstrukturen der Straßen um das Zentrum herum; in den USA die rechtwinkligen Raster.

Interessant wäre der Vergleich mit asiatischen und afrikanischen Metropolen; sie fehlen. Doch eine Ausdehnung der Arbeiten an "City Lights" hätte das Budget gesprengt. Der Aufwand für die Aufnahmen ist erheblich, ein ganzes Team hat für Vincent Laforet gearbeitet. Manchmal vergeblich: Für Paris, wo Laforet aufgewachsen ist, hat er keine nächtliche Flugerlaubnis bekommen, um seine Aufnahmen machen zu können.

Beim Betrachten der Bilder stellen sich verschiedene Effekte ein: Manchmal wirken die städtischen Szenerien wie Miniaturmodelle, mitunter aber auch wie Makro-Aufnahmen. Immer wieder verwandeln sich die urbanen Strukturen auch in grafische Muster - einige der Bilder sehen beinahe aus, als hätte Laforet Leiterplatten fotografiert. Die meisten Aufnahmen vermitteln eine Ahnung von dem Gewimmel und der Betriebsamkeit in den Städten - und strahlen doch eine immense Ruhe aus.

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Quelle:
SZ vom 01.03.2018
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