Süddeutsche Zeitung

Reise-Bildband über Florida:Sie sind mitten unter uns

Frank Hallam Day bezeichnet sich selbst als "Vampir-Fotograf": Er kommt bei Einbruch der Dunkelheit heraus und verleiht seinen preisgekrönten Nachtaufnahmen von Wohnwagen in Florida etwas Surreales - und Unheimliches.

Von Hans Gasser

Frank Hallam Day bezeichnet sich selbst als "Vampir-Fotograf": Er kommt bei Einbruch der Dunkelheit heraus und verleiht seinen preisgekrönten Nachtaufnahmen von Wohnwagen in Florida etwas Surreales - und Unheimliches. Von Hans Gasser Irgendetwas stimmt hier nicht. Aus den Fenstern des Wohnwagens dringt zwar warmes Licht. Aber damit endet der Ausflug ins Idyllische auch schon. Denn der Wohnwagen ist umgeben von einer Vegetation, die ihm und seinen unsichtbaren Insassen nicht unbedingt freundlich gesonnen zu sein scheint. Einmal, weil sie künstlich beleuchtet ist, mitten in der Nacht, und dann, weil sie das glatte, raumkapselartige Ding zu verschlingen droht.

"Ich bin ein Vampir-Fotograf", wird Frank Hallam Day im Vorwort zitiert, "die Sonne geht unter, und ich komme raus mit meinen Scheinwerfern und meiner Kamera." Für seinen Bildband "Nocturnal" war der Washingtoner Fotograf auf Campingplätzen in Florida unterwegs und hat dort Wohnmobile und Wohnwagen beleuchtet und fotografiert. Die stehen zwar im Zentrum seiner mysteriösen Bildkompositionen, wirken aber seltsam deplatziert, wie Fremdkörper, ein letzter Rest menschlichen Lebens, das sich bald erledigt haben wird, wenn die Natur sich seiner bemächtigt.

Die Dunkelheit der Umgebung sei essenziell für ihn, schreibt der Fotograf, sie verweise auf Unbekanntes, Gefährliches, "in einer Welt, in der etwas ziemlich schiefgelaufen zu sein scheint". Für diese Serie erhielt der Fotograf vor einigen Monaten den Leica-Oskar-Barnack-Preis 2012.

Es gehe in seinen Bildern um das widersprüchliche Verhältnis zwischen Mensch und Natur, heißt es in der Jurybegründung: "Sie befinden sich im Schutz ihrer luxuriösen Behausungen, sehen in der Regel fern, Licht und Klimaanlage sind angeschaltet - in dem Glauben, trotz allem mit der Natur im Einklang zu sein."

Hallam, der mit Nachtaufnahmen auch blühenden Kirschbäumen jeden Kitsch zu nehmen und viel kunstfertige Bedrohlichkeit zu geben versteht, will mit seinen Kompositionen auf bedrohte Umwelt, aber auch auf seine Vorbilder verweisen, von den Renaissance-Malern bis zum Magischen Realismus eines Henri Rousseau.

Bei der Arbeit in Florida habe er allerdings auch Angst gehabt "denn hier sind ja viele bewaffnet". Er wartete stets, bis kein Mensch mehr zu sehen war und montierte dann seine Lichter in den Bäumen, um genau 30 Sekunden zu belichten. Wenn doch jemand heraus kam, hielt man ihn oft für einen Eulenforscher. "Aber ich habe nie eine einzige Eule gesehen." Stephen Perloff (Hrsg.), Frank Hallam Day: Nocturnal, Kehrer Verlag, Heidelberg 2012. 80 Seiten mit 49 Abbildungen, 39,90 Euro.

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Quelle:
SZ vom 11.04.2013
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