Süddeutsche Zeitung

Neulich in ... Luxor:Von Ramses lernen heißt spülen lernen

Lesezeit: 2 min

Nicht mit dem Fluch der Pharaonen, sondern mit dem Fluch der Technik kämpft ein Ägypten-Reisender - in der supermodernen Hotel-Toilette.

Martin Bernstein

Erholungspause im Hotel in Luxor, zurück aus Medinet Habu, dem prachtvollen Tempel Ramses III. in Theben-West. Sogar die Toilette des Pharaos ist dort nach mehr als 3000 Jahren noch erstaunlich gut erhalten, direkt neben dem Arbeitszimmer des Gottkönigs. Nichts Neues unter der Sonne, möchte man sinnieren und könnte es, so dasitzend und in Gedanken versunken, schon noch eine Weile aushalten, wenn nicht ... nun, wenn nicht die Klobrille im Hotel unangenehm heiß wäre.

Offenbar beheizbar ist sie - in Luxor. Draußen hat es 42 Grad im Schatten, aber nicht die Spur von Schatten. Im Hotel wütet die Klimaanlage und dimmt die Körpertemperatur der Nilreisenden auf kühlschrankkompatible Minimalwerte herunter. Da muss selbstverständlich gegengesteuert werden, quasi zum Ausgleich. In China heißt die Toilette "Halle der inneren Harmonie". Und in Ägypten? Ort des unruhigen Sitzens?

Gut, man kann das Nachdenken ja auch beenden und den Ring of Fire nach verrichtetem Geschäft schnell verlassen. Dazu müsste man allerdings ... und man erschrickt im Moment der Erkenntnis: Dieses Klo hat keine Spülung. Es hat eine Bedieneinheit. So ungefähr 20 Knöpfe, ein Display, etliche Symbole. Genaueres könnte man vielleicht sagen, hätte man die Lesebrille auf. Entschuldigung: Wer geht schon mit Lesebrille auf die Hoteltoilette? Wenn dort keine Comics liegen, noch nicht einmal "Asterix und Kleopatra"?

Also drücken - Knöpfe drücken, im Blindflug. Aha, es rührt sich etwas: Wind kommt auf. Aus Düsen am Rande der Kloschüssel umschmeichelt ein warmes Lüftchen diesen und jenen Körperteil. Heiße Luft gibt's grad genug. Aber noch immer keine Spülung.

Noch ein Knöpfchen. Das Entsorgungsgerät brummt bedrohlich. Will es den Fremden verschlucken? Oder ihn einer Ganzkörperreinigung unterziehen? Schnell noch ein Knöpfchen. Das Brummen hört auf. Alles ist ganz ruhig. Unruhig wird nur der Reisende. Denn die Temperatur des Sitzmöbels steigt.

So geht das nicht, irgendwo muss doch ...

Der Reisende springt auf, beginnt, wie wild die zwei Dutzend Knöpfe der Schalteinheit zu bearbeiten, einzeln, in Kombination. Plötzlich das erlösende Geräusch. Das Wasser sprudelt.

Später beim Abendessen im Hotelrestaurant wird die mitreisende Kollegin sehr vertraulich. "Sag mal", fragt sie leise nach einem verschwörerischen Seitenblick und kommt dabei ganz nahe, "sag mal: Konntest du das Klo bedienen?" Eine Leidensgefährtin - fast erleichtert fällt das Kopfschütteln aus. Sie grinst: "Ich schon. Auf der Rückseite ist ein Hebel." Ein Hebel. Für die Wasserspülung. Ein ganz normales Klo. Wie seit 3000 Jahren. Von Ramses lernen heißt spülen lernen.

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Quelle:
SZ vom 1.12.2011
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