Süddeutsche Zeitung

Marken:Oper statt Ballspiel

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Das Sferisterio in Macerata diente einst dem Ballsport "Pallone col bracciale". Heute ist dieses Spiel in Vergessenheit geraten, doch für die Arena hat sich dank der guten Akustik eine andere Verwendung gefunden.

Von Francesca Polistina

Man kann nicht wirklich sagen, dass das Sferisterio von Macerata eine typische Arena ist. Zumindest, wenn man mit Arena an das wohl berühmtere Beispiel in Verona denkt. Auch im Sferisterio findet ein Opernfestival statt, auch da treten im Sommer Musiker und Sängerinnen auf und werden die schönsten Arien der Operngeschichte gesungen.

Was den Zuschauer erwartet, ist allerdings kein römisches Amphitheater, sondern eine alte Spielstätte, die die Form eines zerschnittenen Ovals hat. Sie besteht aus einer Wand, die 90 Meter lang und knapp 20 Meter hoch ist, und einem eleganten Säulengang, der die im Halbkreis angeordnete Tribüne umringt. Das Bauwerk war auch nicht für die Oper gedacht. Ursprünglich spielte man dort das "Pallone col bracciale", Italienisch für "Ball mit dem Armband". Dass das Spiel wohl den wenigsten etwas sagt, hat damit zu tun, dass diese Sportart beinahe verschwunden ist. So war es bis Anfang des vergangenen Jahrhunderts allerdings nicht.

Das "Pallone col bracciale" gehört zu den traditionsreichsten Sportarten Italiens. Gespielt wurde in zwei Mannschaften, Ziel war es, eine Kugel an die Wand zu werfen und sie in die gegnerische Spielfeldhälfte zu befördern. Vor allem in der Toskana und in den Marken war das Spiel beliebt - das zeigen nicht nur die historischen Quellen, sondern auch die Tatsache, dass 100 wohlhabende Einwohner aus Macerata dafür ein prächtiges Stadion errichten ließen.

Und zwar so, wie es in der Gegend auch für Theater üblich war: Sie schlossen sich zusammen, um das Gebäude als kollektives Projekt zu finanzieren. Beauftragt wurde der damals nicht mal dreißigjährige Baumeister Ireneo Aleandri, der 1823 ein neoklassizistisches Bauwerk entwarf. Fast ein Jahrhundert diente das Sferisterio als Spielstätte und zugleich als Schauplatz für Zirkusaufführungen und Stierkämpfe, dann sank die Popularität dieses besonderen Ballspiels. Das Sferisterio wurde renoviert und umgebaut, bis 1921 die erste Opernaufführung stattfand - mit nichts Geringerem als der "Aida" von Giuseppe Verdi.

Sein zweites, glückliches Leben als Opernbühne und Freilufttheater verdankt das Sferisterio einer überragenden Akustik, die selbst von Musikern und Musikerinnen zelebriert wird. Was an sich schon lustig ist, denn das Bauwerk war für gar keine musikalischen Darbietungen gedacht. Doch so ist es manchmal. Und das heutige Opernfestival, das jedes Jahr im Juli und August stattfindet, gehört zu den wichtigsten Sommerveranstaltungen der Region Marken.

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Quelle:
SZ vom 30.12.2020
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