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Kommentar:Nachhaltiges Wandern

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Selten gibt es so viele Vorzüge, die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen, wie bei Wandertouren mit mehreren Etappen.

Von Dominik Prantl

Bei aller Miesepetrigkeit, die heute bekanntermaßen zur wichtigsten Eigenschaft eines Tourismuskritikers gehört, darf man beim Weitwandern ruhig einmal eine Ausnahme in puncto Dauermotzen machen. Klar, der Wanderer wird wahrscheinlich ebenso wenig alleine das Klima und erst recht nicht die Meere retten, wie das ein Fahrradfahrer tut, und möglicherweise ist die Vielzahl an neuen Weitwander-Angeboten seitens der Tourismusverbände auch mehr einem PR-Gedanken als dem Willen zur Weltverbesserung geschuldet. Dennoch ist das Weitwandern eine der in jedem Sinne nachhaltigsten Urlaubsformen.

Sofern es nicht gerade eine halbe Weltreise bis zum Ausgangspunkt benötigt, beginnt das schon bei der Anfahrt. Selten gibt es so viele Vorzüge, die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen, wie bei Wandertouren mit mehreren Etappen - vor allem dann, wenn Ausgangs- und Endpunkt nicht identisch sind oder gar auf Nord- und Südseite der Alpen liegen. Wer nur so viel Gepäck hat, um es tagelang auf den Schultern spazieren zu tragen, tut sich in Bus und Bahn auch leichter. Ein Kofferraum für Sportkinderwagen, aufblasbare Riesenflamingos oder Surfbretter ist nicht nötig. Und unterwegs bewegt man sich ohnehin mit dem einzig wirklich klimaneutralen Transportmittel: den eigenen Füßen.

Wer einfach nur geht, kann aber nicht nur weniger Blödsinn im ökologischen Sinn anrichten. Manchmal tut er sogar noch etwas Gutes dabei. Gilt doch der Wandertourismus als ein wichtiger Entwicklungshelfer in entlegenen Bergregionen, und zwar nicht nur in weit entfernten wie dem Himalaja oder den Anden, sondern auch in den Karpaten oder den Südalpen. Die Grande Traversata delle Alpi, kurz GTA, ein Weitwanderweg, der sich über rund 1000 Kilometer von den Ligurischen Alpen durchs Piemont bis an die Schweizer Grenze erstreckt, bedeutet auch wirtschaftliche Impulse und Wertschöpfung für eine strukturschwache Region mitten in Europa.

Nun ließe sich natürlich einwenden, dass auch der Liegestuhlkandidat am Strand sich beim Schadstoffausstoß nicht grämen muss und gleichzeitig wirtschaftlich Nutzen bringt. Aber es weisen etliche Studien auch auf die positive Wirkung des Wanderns auf Herz-KreislaufSystem, Psyche und Immunsystem hin. Von einer Woche Ballermann lässt sich das eher nicht behaupten. Sogar Kreativität und Gehirnaktivität sollen sich Erhebungen zufolge nach dem Wandern verbessern.

Man könnte es auch so sagen: Das lange Gehen in der Natur macht - ob nun Weltverbesserer oder nicht - einfach schlauer.

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Quelle:
SZ vom 14.08.2019
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