Süddeutsche Zeitung

Kolumne "Ende der Reise":Wie viele Würstchen bis Berlin?

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Während sich die einen fragen, ob sie noch fliegen oder Auto fahren dürfen, diskutieren die anderen, wie viel CO₂ der Festtagsbraten emittiert. Zum Glück bringt ein Vergleichsportal nun Klarheit.

Glosse von Dominik Prantl

Der Fleischliebhaber ist an den Feiertagen - man darf das an dieser Stelle so sagen - heutzutage eine arme Sau. Auf jedem Einkaufszettel scheint zwischen Hirschfilet und Dry Aged Beef mittlerweile das Wort "Klimakiller" durch.

Die Weihnachtsgans hat ausgedient, seitdem die kleine Tochter das Tier mit Nils Holgersson in Verbindung bringt, und selbst das Fleischfondue will an Silvester im Bekanntenkreis nicht mehr so recht schmecken, weil sich die Maria nur noch vegan ernährt und der Georg zwar gerne Unternehmen in aller Welt berät, aber ständig darüber referieren muss, wie viel eine Durchschnittskuh an Treibhausgasen emittiert.

Hilfe für alle Flexitarier kommt nun ausgerechnet von den Machern des - welch herrliches Wort! - Verkehrsmittelvergleichsportals "fromAtoB", die pünktlich vor dem Weihnachtsfest einen CO₂-Vergleich zwischen Mobilität und Fleisch angestellt haben. Demzufolge entsprechen die Emissionen einer Fahrt von Berlin nach Hamburg beispielsweise 33 Würstchen, und zwar mit dem ICE.

Statt die Strecke von München nach Nürnberg im Fernbus zurückzulegen, kann man ruhigen Gewissens zwei Steaks verspeisen, und schon wer von Stuttgart nach Berlin fliegt, hat auf das Klima einen ähnlichen Effekt wie eine Weihnachtsfeier der Metzgerinnung.

Yoga auf Bali oder 23 000 zu McDonald's?

Dabei sind solche innerdeutschen Strecken im Reisebudget des Durchschnittglobetrotters nur Kleinvieh. Richtig um die Wurst geht es erst auf der Langstrecke. Vertraut man einschlägigen Klimarechnern sowie der Website klimatarier.com, sind 20 000 alleine mit dem Kleinwagen zurückgelegte Kilometer mit 13 000 Wiener Würstchen aufzuwiegen, rein CO₂-mäßig.

Für den Flug von Hamburg zum Yoga Retreat nach Bali und zurück ließen sich wiederum die Frikadellen für 23 000 McDonald's-Hamburger herstellen. Folglich dürfte wohl jeder Weltreisende mehr Treibhausgase ausstoßen als ein ganzer Bauernhof.

Möglicherweise lassen sich diese ganzen Zahlen am einfachsten bei einer Leberkässemmel verdauen. Für die kommt man vom Zentrum Münchens mit der S-Bahn gerade bis zur Stadtgrenze.

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Quelle:
SZ vom 19.12.2019
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