Süddeutsche Zeitung

Handys im Flugzeug:Quasseln über den Wolken

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Vor kurzem ließ die amerikanische Flugsicherheitsbehörde Tablets und Reader an Bord zu. Bald sollen Passagiere im Flieger auch telefonieren können.

Von Nikolaus Piper, New York

Ein langer Flug von München oder Frankfurt nach New York hat einen unbestreitbaren Vorteil: Man ist sieben bis acht Stunden lang vor Handys geschützt - vor seinem eigenen ebenso wie vor denen seiner Mitmenschen. Mit der Ruhe könnte es nun bald vorbei sein.

Die amerikanische Aufsichtsbehörde Federal Communications Commission (FCC), die einen Teil der Kompetenzen hat, die in Deutschland bei der Bundesnetzagentur liegen, kündigte an, dass sie künftig den Gebrauch von Handys auf Flügen erlauben wolle. Das bisherige strikte Verbot soll für alle Maschinen aufgehoben werden, die eine Flughöhe von 10.000 Fuß (3050 Meter) erreicht haben. Der Vorsitzende der Kommission, Tom Wheeler, sagte: "Moderne Technik kann mobile Dienstleistungen in der Luft sicher und verlässlich liefern. Daher ist es an der Zeit, unsere überholten und restriktiven Regeln zu überprüfen." Die FCC wird den Vorschlag auf ihrer nächsten Sitzung am 12. Dezember beraten.

Gegen die Pläne der FCC protestierte vor allem die amerikanische Gewerkschaft der Flugbegleiter (Association of Flight Attendants). In einer Erklärung der Gewerkschaft steht, dass Flugbegleiter wüssten, wie wichtig es sei, Ruhe in einer Flugzeugkabine zu wahren. "Jede Situation, die laut und streitig ist und die möglicherweise zu Unruhe führen kann, ist nicht nur unangenehm, sondern gefährlich." Telefonierende Passagiere könnten nicht nur ein Ärgernis werden, sondern auch ein Risiko für die Sicherheit des Flugzeugs. Die große Mehrheit der Passagiere lehne Handy-Gespräche im Flugzeug daher ab.

Wann das Handyverbot fallen wird und was das in der Praxis genau bedeuten könnte, ist noch unklar. Die FCC will den Fluggesellschaften erlauben, die Telefontechnik zu installieren, sie wird ihnen dies jedoch nicht vorschreiben. Konkret installieren die Techniker dabei im Flugzeug eine kleine Basisstation namens "Picocell", die die Funksignale der Handys sammelt und zur Erde schickt.

Ein Sprecher der Lufthansa begrüßte die Pläne der FCC, versicherte aber: "Wir haben nicht vor, das bisherige Verbot für Handy-Gespräche aufzuheben." Worauf es ankomme, sei der GSM-Standard, den die Lufthansa so schnell wie möglich auf allen Maschinen installieren will. Dadurch könnten Fluggäste auf ihren iPhones und Blackberrys E-Mails verwalten und im Internet surfen. Die Lufthansa bietet bereits auf Langstreckenflügen Wlan an; auf diese Weise können Reisende am Laptop ins Internet gehen. "Theoretisch könnte jemand so auch über Skype telefonieren. Aber das erlauben wir nicht", sagte der Lufthansa-Sprecher.

Allerdings sind auf vielen Flügen bereits normale Telefonate von einem Wand-Fernsprecher möglich. Die Gebühren, die für ein Gespräch verlangt werden, sollen davon jedoch abschrecken: Pro angefangener Minute zahlen Fluggäste 9,95 Dollar.

Andere Fluggesellschaften äußerten sich weniger eindeutig als die Lufthansa. "Unsere Priorität ist es, die Kabine angenehm zu machen", sagte ein Sprecher des amerikanischen Billigfliegers JetBlue. "Und zwar für Fluggäste, die ihr Handy benutzen wollen, und für solche, die Ruhe und Frieden haben wollen."

Die Pläne der FCC sind Teil eines allgemeinen Trends zur Liberalisierung im Gebrauch von Kommunikationsmitteln im Luftverkehr. Im Oktober hatte die amerikanische Flugaufsichtsbehörde FAA verfügt, dass Passagiere Tablets und E-Book- Reader künftig auch bei Start und Landung verwenden dürfen.

Das Telefonverbot auf Flugzeugen stammt aus dem Jahr 1991. Damals war der Verdacht aufgekommen, die Funksignale von Handys könnten den Funkverkehr der Piloten stören und im Extremfall sogar den Autopiloten eines Flugzeugs außer Gefecht setzen. Nach Meinung vieler Experten ist der Verdacht inzwischen ausgeräumt.

Die FCC hatte 2004 schon einmal versucht, die Vorschriften zu liberalisieren. Sie zog ihren Vorschlag jedoch nach heftigen Protesten in der Öffentlichkeit zurück.

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Quelle:
SZ vom 23.11.2013
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