Süddeutsche Zeitung

Ende der Reise:Wolfshund im Streichelzoo

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Wanderer im Raum Reutte sollen Kühen die Mäuler blutig geschlagen haben, weil es in Ratgebern heißt, man solle dem Tier im Notfall einen Schlag auf die Nase versetzen. Dabei hat das Rind schon genügend Ärger mit dem Rest der Natur.

Von Dominik Prantl

Weil die Almen ausgerechnet in der Sommersaison voller Rindviecher sind, bemühen sich in den Alpen manche Tourismus- und Landwirtschaftsverbände schon seit Jahren um ein friedliches Nebeneinander von Mensch und Tier. In Tirol zum Beispiel gab es zuerst den Comic "Die Alm ist kein Streichelzoo", der Wanderern und vor allem Hundehaltern den richtigen Umgang mit Kühen erklärte. Aus dem Comic wurde ein Youtube-Filmchen; und seit diesem Jahr leiht der mindestens in Österreich weltberühmte Schauspieler Tobias Moretti Aufklärclips zum Thema Almsicherheit seine Stimme. Moretti war mal Herrchen von "Kommissar Rex" und ist heute Landwirt, weiß also über Hund wie Hirtenzunft Bescheid, und darf deshalb den Tipp geben: "Vergesst's den Hund. Der überlebt schon irgendwie. Und wenn nicht, hat er Pech gehabt."

Wobei man sich fragen muss, wer jetzt eigentlich genau Pech hat: der Mensch, dessen Hund oder das Rind. Laut Berichten auf Nachrichtenportalen haben Wanderer im Raum Reutte beispielsweise Kühen die Mäuler blutig geschlagen, weil es in Ratgebern heißt, man solle dem Tier im Notfall einen Schlag auf die Nase versetzen. Von "übertriebenem Selbstschutz" ist die Rede. Dabei hat das Rind schon genügend Ärger mit dem Rest der Natur. So wird zwischen Allgäu und Südtirol immer wieder von regelrechten Murmeltierplagen berichtet. Das tangiert die Kuh insofern, als sich die Bauten der Nager regelmäßig als mörderische Stolperfallen entpuppen.

Dazu passt eine Meldung aus der Schweiz, wo die Kühe wie überall langsam elefantöse Ausmaße annehmen und nun wieder kleiner gezüchtet werden sollen, weil das für Kuh und Kuhkonsument gesünder ist. Sollte man diesen Weg konsequent weiterverfolgen, könnten sich die Almkühe irgendwann vor Wanderer und Wolfshund in die Murmeltierbauten flüchten, statt darin einzubrechen, und der davor heulende Rex würde sich zurücksehnen in jene Zeit, als die Alm noch aufregender war als ein Streichelzoo.

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Quelle:
SZ vom 16.08.2018
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