Süddeutsche Zeitung

Kolumne "Ende der Reise":Schlafen im Frachtraum

Lesezeit: 1 min

Auch Passagiere auf Fernreise könnten sich künftig lang ausstrecken und zur Ruhe kommen - wenn sie keine Platzangst haben.

Von Hans Gasser

Das Schlafen ist ja an sich schon ein leidiges Thema. Die einen schlafen zu wenig, weswegen sie gereizt und nur bedingt leistungsfähig sind. Die anderen schlafen zu viel und sind dann trotzdem immer irgendwie müde, verpeilt und - auch nicht so leistungsfähig.

Aber erst auf Reisen! Da liegt das Hotelzimmer direkt an einer vierspurigen Ausfallstraße, was man bei der Onlinebuchung leider übersehen hat. Oder die Klimaanlage lässt sich partout nicht ausschalten und bläst die ganze Nacht vor sich hin. Auch schon egal, die sieben Stunden Zeitunterschied lassen einen eh um vier Uhr früh hellwach im Bett liegen und über die Sinnhaftigkeit der Fernreise sinnieren.

Wie gut, dass sich nun Fluggesellschaften Gedanken darüber machen, wie sie wenigstens die Anreise geruhsam gestalten könnten. Da wird jetzt mancher hellhörig werden, denn in jüngster Zeit hat man sich selbst bei etablierten Airlines damit abzufinden, dass sogar das Glas Wasser und der Koffertransport extra kosten. Nun aber verkündet das Unternehmen Air France-KLM, dass in Maschinen seiner neuen Fernflieger-Tochter Kojen für Economy-Passagiere eingeplant werden sollen.

"Sie zahlen einen Zuschlag und bekommen dafür Schlafplätze", sagte der Vorstandsvorsitzende Jean-Marc Janaillac, schob aber hinterher: "Also jene, die keine Platzangst haben." Da Platz im Flugzeug bares Geld bedeutet, werden die Kojen vom Boden bis zur Decke übereinander gestapelt.

Japanische Kapselhotels oder die Schlafsärge des Reiseanbieters Rotel-Tours dürften denn auch die Inspiration gewesen sein für das Kojen-Patent, das Airbus in den USA eingereicht hat: Die Skizzen dafür zeigen, dass die Schlafstellen entweder ganz hinten im Flugzeug oder, noch besser, gleich im Frachtraum eingerichtet werden, der dann aber "Under Deck" heißen wird. Das ist, man muss es sagen, genial.

Denn natürlich kann man liegend und übereinander noch viel mehr Menschen in ein Flugzeug schichten als sitzend selbst in der engsten Holzklasse. Dass darauf bisher noch niemand gekommen ist! Die Kojen besitzen Bildschirm und Sicherheitsgurt, und auch das Essen wird einem in die Koje serviert. Wer da nicht ausgeschlafen ankommt, dem ist nicht zu helfen.

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Quelle:
SZ vom 24.11.2016
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