Süddeutsche Zeitung

Ende der Reise:Prost auf den Klimawandel!

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In Norwegen hat ein Unternehmer eine seltsame Geschäftsidee. Er will Gletschereis für Drinks abbauen.

Von Hans Gasser

Die Norweger sind ein naturverbundenes Völkchen. Sie besitzen ja auch viel davon, gerade einmal 13 Einwohner kommen auf den Quadratkilometer. Es gibt Fjorde und steile Berge, Rentiere und jede Menge große Gletscher. Deshalb kommen die Touristen zuhauf, auch wenn ein kleines Bier acht Euro kostet, von einem Cocktail gar nicht zu reden.

Das liegt daran, dass die Norweger so etwas wie die Ölscheichs Europas sind. Vor ihren Küsten fördern sie so viel Öl und Gas, dass der Staatsfonds, in den die Einnahmen fließen, bereits 890 Milliarden Euro wert ist. Nur mit dem, was der Aktienfonds erwirtschaftet, könnten jedem (!) Norweger jährlich 10 000 Euro ausgezahlt werden.

Es ist klar, dass da manch einer auf seltsame Gedanken kommt. Der Unternehmer Geir Olsen beispielsweise möchte nicht Öl, sondern das Eis des Svartisen-Gletschers am Polarkreis abbauen, um es als exklusive und teure Eiswürfel an Bars in London, New York und Dubai zu verkaufen. Interessenten, sagt Olsen, gebe es genug. Die zuständige Gemeinde hat ihm auch bereits eine dreimonatige Testphase genehmigt, während seine Leute mit Motorsägen Eis aus dem 370 Quadratkilometer großen Gletscher geschnitten und dann mit Helikoptern abtransportiert haben.

Doch, wen wundert's, es regt sich heftiger Widerstand. Naturschutzorganisationen und Anwohner laufen Sturm gegen das Projekt. Von "menschlichem Wahnsinn und Naturzerstörung" sprechen die Naturschützer und drohen, sich an Schiffe oder Helikopter anzuketten, die das Eis abtransportieren. Der Unternehmer kann die Aufregung nicht verstehen. Eis sei doch "die größte nachwachsende Ressource der Welt", soll er gesagt haben. Außerdem baue er nur Eis ab, das "sowieso schmelzen würde". Über seinen Antrag will die Gemeinde im September entscheiden.

Dabei ist Olsen nicht der Erste, der auf die Idee kam, Naturressourcen zu verkaufen. Man denke nur an die Berliner Luft in Dosen, für deren Abtransport die Hauptstädter wegen des Feinstaubs täglich dankbar sind. Sand wird mittlerweile auch weltweit zu hohen Preisen gehandelt. Und das wäre mal ein schönes Angebot für die Reichen dieser Welt: ein Cocktail mit norwegischem Gletschereis auf Sand von der Copacabana. Und das mitten in Berlin. Ein Prost auf den Klimawandel!

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Quelle:
SZ vom 12.07.2018
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