Süddeutsche Zeitung

Ende der Reise:Aggressiv in Salzburg

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In der Stadt, die ihren Reichtum den vielen Bus- und Tagestouristen verdankt, die sie besuchen, scheinen die Nerven blank zu liegen.

Von Hans Gasser

Ach, Salzburg! Welchem Touristen würde beim Gedanken daran nicht das Herz im Leibe hüpfen wie eine Mozartkugel die vielen Treppen vom Mönchsberg herunter? Die Festung, der Dom, das Mozart-Geburtshaus, die Torten im Café Tomaselli, der Jedermann - es gibt so viel legendär Sehenswürdiges hier, dazu die Nockerl und natürlich die Musik! Man kann es den Menschen aus aller Welt nicht verdenken, dass sie die Stadt an der Salzach zu einem Must-See auf der Europareise auserkoren haben, gleich nach Venedig.

Doch während sie jetzt in Venedig ab Juli 2020 im fünften Anlauf vielleicht endlich doch eine Tourismusabgabe für die Tagesbesucher einführen wollen, stehen die Salzburger vor einem ganz anderen Problem: "Fremdenführer warnen Touristen vor aggressiven Salzburgern", titeln die Salzburger Nachrichten und zeigen das Foto einer Stadtführerin mit eingegipstem Arm. Was ist da los?

Während sie eine Gruppe Koreaner durch die Stadt geführt habe, so ist zu lesen, sei ein Mann herangestürmt, habe die Touristen getreten und schließlich die Stadtführerin niedergestoßen, wobei sie sich den Arm gebrochen hat. "Wir werden oft angepöbelt, die Gäste als Scheißtouristen beschimpft", so die Stadtführerin. Und eine Kollegin pflichtet ihr bei: In der Diskussion um Tagesbesucher und Busgruppen habe sich der Ton zwischen Einheimischen und Gästen massiv verschlechtert. Wenn sie wieder mal ein "Schleicht's euch!" höre, sei sie froh, wenn die Gruppe kein Deutsch verstehe. "Ich sage mittlerweile dazu, dass die Einheimischen jetzt zu Saisonende nicht mehr so freundlich sind."

Da scheinen die Nerven blank zu liegen in der sonst so taktvoll wirkenden Stadt, die ihren Reichtum ja gerade den ganzen Touristen verdankt. Mag der Gewalttäter vielleicht nur ein einsamer Frustrierter sein, offensichtlich scheint es manchen Bewohnern zu viel zu werden. Und was heißt hier überhaupt Saisonende? Die Stadt wirbt schon mit Advent und Stiller Nacht. Da wird's dann erst richtig voll. Oh, je.

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Quelle:
SZ vom 17.10.2019
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