Süddeutsche Zeitung

Ecuador:Glück im Unglück

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Protokoll von Ingrid Brunner

Delfin Gualinga, 43, arbeitet als Wildflife-guide im Yasuni Nationalpark, Ecuador.

"Wenn man so will, hatte ich Glück im Unglück: Ich war an Corona erkrankt und wurde wieder gesund. Ich hatte Fieber, Schüttelfrost, Husten - aber ich bin vollständig genesen. Wir Indigenen gelten ja als besonders gefährdet. Doch in meinem Wohnort, fünf Busstunden von Quito und vier Busstunden von Coca entfernt, sind wir nicht so ängstlich, es gab bis jetzt nur wenige Infektionen und kaum Tote in meiner näheren Umgebung unter den Quechua. Wir Indigenen leben im Regenwald ja in und mit der Natur. Wir versorgen uns mit Fisch aus den Flüssen und bauen Gemüse an.

So weit die gute Nachricht. Doch seit dem Lockdown sind die Dschungellodges geschlossen. Von dort holen wir normalerweise unsere Gäste ab und führen sie zu Fuß oder im Boot in den Regenwald. Das heißt, seit sechs Monaten habe ich keine Arbeit, ebenso wie die anderen Wildlifeguides. Als Freiberufler erhalten wir keine Unterstützung vom Staat. Ich lebe von meinen Ersparnissen und von Gelegenheitsjobs auf einer Baustelle. Auch die Napo Lodge im Yasuni-Nationalpark, für die ich oft arbeite, ist zu - noch. Denn dort gibt es Hoffnung: Zum 15. September will die Regierung eventuell die Wiedereröffnung gestatten. Unter strengen Auflagen: Der Betrieb soll mit 30 Gästen beginnen, pro Monat!

Aber woher sollen die Gäste kommen? Gut die Hälfte von ihnen sind normalerweise US-Amerikaner, aber so schlecht wie die Corona-Situation derzeit in den USA ist, reist von dort so schnell keiner an. Wir hoffen auf einheimische Gäste, doch das wird nur wenig helfen, insgesamt ist der Tourismus in Ecuador in einer kritischen Situation. Immerhin fahren ab September die Busse wieder. Und wenn die Lodges öffnen dürfen, kann ich vielleicht wieder ein wenig Geld verdienen.

Ich freue mich darauf, wieder Besucher durch den Regenwald zu führen, ihnen die vielen Papageien und anderen Vogelarten zu zeigen. Von den Aussichtstürmen im Regenwald kann man auch Faultiere beobachten, vom Einbaum aus Alligatoren oder Riesenottern. Ich bin schon gespannt: Die Abwesenheit der Menschen in den Dschungellodges hat sicher einiges verändert. Die Tiere nehmen den freien Raum wieder ein. Ich erwarte dort einige Überraschungen in der Tierwelt."

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Quelle:
SZ vom 03.09.2020
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