Süddeutsche Zeitung

Kolumne: Hin und weg:Der Preis des Verzichts

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Eine Fluglinie feiert ihr Angebot, einfach mal nichts zu essen, als die finale Kundenorientierung. Dabei ist das doch ein alter Hut.

Glosse von Dominik Prantl

Alles anschnallen, "fasten your seat belts" wie der Airliner sagt, denn folgende Meldung könnte Vielflieger von den Sitzen reißen: Eine japanische Fluggesellschaft, deren Namen hier wenig zur Sache tut (nur so viel: Die Kurzform steht auch für Anorexia nervosa) hat mit 31. März dieses Jahres zwei neue, nun ja, Bordessen eingeführt, namentlich das "Quick & Light Meal" und die "No thank you"-Option. Ersteres besteht aus einem Salat, einem Sandwich und einem Dessert, letzteres aus dem Stornieren der Mahlzeit, letztlich also aus nichts. Ein Sprecher der Fluggesellschaft wird mit den schönen Worten zitiert: "Indem wir verschiedene Optionen für Dienstleistungen während des Fluges anbieten, geben wir den Fluggästen mehr Flexibilität und Kontrolle darüber, wie sie unsere Marke erleben." Außerdem soll die Menge der Lebensmittelabfälle reduziert werden. Von einem Preisnachlass fürs Nichts ist allerdings nicht die Rede.

Ausgebuffte Experten erkennen hier freilich sofort den uralten Marketingtrick, die Reduktion aufs Wesentliche als Upgrade zu verkaufen, um damit im besten Falle auch noch den Profit zu steigern. Denn gerade in der Unterwegs-Branche hat die "No thank you"-Option mitsamt ihren Vermarktungsformeln eine lange Tradition, und zwar nicht nur bei den Billigfluglinien, sondern vom Abenteuerwesen bis zum Saufurlaub. Reinhold Messner kletterte unter Sauerstoffflaschen- und sogar Dessert-Verzicht ziemlich quick and light auf hohe Berge und kann davon bis heute leben. Seit mehreren Jahren feiert die gesamte Outdoor-Szene das Ultraleicht-Trekking mit nur grammschwerem sowie sündhaft teurem Rüstzeug als fetten Trend - gerne vergessend, dass schon altgediente Wandersleut' wie die fantastische Appalachen-Hikerin Emma Gatewood, bekannt als Grandma Gatewood, in den Sechzigern nur das Nötigste einpackten.

In Hotels wird das "No, thank you" zu Zimmerreinigung und Handtuch gerne als Aufstieg in die nächste Liga des Umwelt- und Klimaschutzes verkauft. Das "Nein, danke" zum Internet läuft unter zuschlagspflichtigem Digital Detox und der Verzicht auf Niveau als Abschalten auf Mallorca. Sogar die Innenausstattung der Autos wird trotz der horrenden Preise immer spartanischer.

Am ehrlichsten freilich wäre es dabei, die "No thank you"-Option deutlich auszuweiten; im obigen Falle etwa auf den ganzen Flug, und diesen Verzicht mit einem Essen im zum Restaurant umgewandelten Flugzeug zu versüßen. Genau das hat die oben nicht genannte japanische Airline übrigens auf dem Höhepunkt der Corona-Krise tatsächlich angeboten. Für umgerechnet 460 Euro konnten die Flugzeuggäste damals ein Menü mit Stopfleber, Krabbenschaum und japanischem Rindfleisch in einer geparkten Boeing 777 verspeisen. Medienberichten zufolge seien die Tickets innerhalb kürzester Zeit verkauft gewesen. Wer nichts essen wollte, hatte die unschlagbare "No thank you"-Option, erst gar nicht hinzugehen. Und das war dann sogar gratis.

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