Süddeutsche Zeitung

Ägypten:Das Erbe des Pharaos

Lesezeit: 4 min

In Ägypten wurde schon vor Jahrtausenden Wein gemacht. Aber die Kunst des Kelterns geriet mit der Islamisierung im Mittelalter in Vergessenheit. Jetzt wird sie wiederentdeckt.

Von Johanna Pfund

Im Hinterland des ägyptischen Badeorts El Gouna am Roten Meer ziehen sich Straßen ohne erkennbaren Zweck durch staubiges Wüstenland. Abzweigungen enden im Nirgendwo. Eine Straße führt schließlich doch zu einem kastenartigen Gebäude, eingezäunt wie eine Kaserne mit Mauern und Stacheldraht. Der martialische Eindruck täuscht: Hinter den Mauern verbirgt sich die friedliche Weinkellerei Kouroum of the Nile, Weinberg des Nils. Seit 13 Jahren leistet hier das libanesische Ehepaar Rania und Labib Kallas Pionierarbeit. Die im Norden des Landes ökologisch angebauten Trauben werden hier im Süden zu Weinen verarbeitet. Sie tragen Namen wie Beausoleil d'Egypte oder der Jardin du Nile, die an große französische Weine erinnern, sie werden auch den Ansprüchen der europäischen Weinnationen gerecht: Mehr als ein Dutzend Auszeichnungen bei den Decanter World Wine Awards in London oder der Challenge Millesime Bio in Montpellier zeigen das. Auf diesen Lorbeeren will sich Winzer Labib Kallas aber nicht ausruhen: "Wir haben Ägypten noch viel zu bieten."

Dabei war der Aufbau der Weinkellerei wahrlich kein Selbstläufer. Oder, wie Managerin Rania Kallas es ausdrückt: "Wir hatten keine Chance, und wir haben sie genutzt." Denn vor zwanzig Jahren gab es kaum noch Weinbau im islamisch geprägten Ägypten. Muslimen ist Alkohol verboten, nur den etwa zehn Prozent koptischen Christen ist er erlaubt. Dementsprechend reglementiert ist der Zugang zu Alkohol: Es gibt welchen in den von internationalen Gästen frequentierten Hotels, ebenso in Läden mit Lizenz für Alkoholverkauf. Auf importierte Getränke erhebt die Regierung extrem hohe Steuern, wie Rania Kallas erläutert: Zum Beispiel 3000 Prozent auf Sekt oder Schnaps, 1800 Prozent auf Wein.

Mit der Islamisierung im frühen Mittelalter verschwand die Weinbautradition

Zur Pharaonenzeit war Weinbau noch die Regel. In Luxor, nur eine knappe Flugstunde von Hurghada entfernt, kann man sich davon überzeugen. Im Grab des Beamten Nacht, der wohl zur Zeit der 18. Dynastie lebte, im einstigen Theben-West, sind an den Wänden die Weinlese und das Keltern von Trauben dargestellt. Ebenso wie der Most in Amphoren abgefüllt und versiegelt wurde. Pharaonen wie dem jugendlichen Tutanchamun, der im nahegelegenen Tal der Könige begraben wurde, gab man Dutzende Krüge Wein mit ins Grab, neben anderen überlebenswichtigen Dingen wie Fleisch und getrocknetem Obst. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts etablierte der griechisch-ägyptische Unternehmer Nestor Gianaclis wieder eine Weinkellerei. Nach mehreren Eigentümerwechseln und einer langen Zeit in staatlicher Hand, übernahm Heineken das Unternehmen, der Wein aberhatte keinen guten Ruf.

"Ägyptischer Wein war nicht mehr trinkbar", erzählt Labib Kallas, der zu dieser Zeit in Libanon arbeitete. Dort machte ihn Samih Sawiris, Gründer der Urlauberstadt El Gouna, über mehrere Ecken ausfindig und gab ihm einen Auftrag: "Wir sollten in El Gouna guten Wein herstellen." So wollte Sawiris zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Die hohen Einfuhrzölle auf Wein umgehen und zugleich den Gästen in El Gouna ein trinkbares Produkt anbieten.

Sawiris, der aus einer der wohlhabendsten Familien Ägyptens stammt, hatte 1989 den Grundstein für die touristische Retortenstadt El Gouna gelegt. Heute zählt sie 20 000 Einwohner, zwei Schulen und einen Ableger der Freien Universität Berlin. Dazu kommen die Urlaubsgäste. Das Gros der Hotels, 18 Häuser, gehört Sawiris. Der Milliardär, der ein Drittel des Münchner Reisekonzerns FTI hält, entwickelte nach ähnlichem Muster auch Andermatt oder Luštica Bay in Montenegro.

Labib Kallas, der sein Handwerk in Bordeaux gelernt hat, nahm die Herausforderung in El Gouna an. 50 Kilometer nördlich von Kairo begann er 2001 den ersten Weinberg zu pflanzen. Auf knapp 200 Hektar wachsen nun Sorten wie Syrah, Cabernet Sauvignon und Merlot, die Weingärten werden nach ökologischen Kriterien bewirtschaftet. 2005 zog die christliche Familie mit ihren zwei Kindern nach Ägypten. Im gleichen Jahr kam der erste Wein, Sharazade, auf den Markt. Es folgten Erweiterungen: 2007 kaufte Kouroum of the Nile einen Weinberg bei Menia, südlich von Kairo, und baut dort die ägyptische Rebsorte Bannati an. 2009 kam der daraus produzierte Beausoleil d'Egypte auf den Markt.

So einfach, wie das klingt, war und ist es nicht. Allein wegen des Klimas. Sonne satt, extreme Temperaturen um die 40 Grad Celsius, kaum Regen, das bekommt der widerstandsfähigsten Rebsorte nicht. "Wir haben viele Sorten angebaut und experimentiert", erzählt der 50-jährige Labib Kallas. "Das ist Pionierarbeit." Die Chardonnay-Trauben bereiteten ihm Schwierigkeiten, die Qualität passte einfach nicht. "Das Geheimnis ist die Bewässerung - zu viel Wasser gibt schlechte Trauben, zu wenig Wasser zu wenig Ertrag." Die Reben, die vor der Kellerei selbst angepflanzt sind, dienen mehr der Optik - denn hier, nahe Hurghada, müsste man die Pflanzen sieben Monate lang neun Stunden am Tag bewässern, um gute Trauben zu produzieren.

In der Kellerei stecken die nächsten Herausforderungen. Eine ist die Arbeit mit den Angestellten. Dem Ehepaar kam zugute, dass es sich auf Arabisch mit den Mitarbeitern verständigen kann, so "kann man sie besser instruieren", sagt Labib. "Sonst würden sie Fehler machen." Die der Wein nicht verzeiht. Das Klima fordert in der Kellerei genau wie im Anbau Kreativität. Die klassische Reifung im Holzfass funktioniert in El Gouna nicht, die Fässer würden in der trockenen Luft springen. Einmal mehr umschifften die Kallas ein Problem: Ein Holzstück wird in das Edelstahlfass gesteckt, damit der Wein das gewünschte Aroma erhält. "Es steckt alles in den Details", betont Rania.

Die Kontrolle der Qualität ist eine Herausforderung, die staatliche Kontrolle die andere. Hohe Steuern fallen an, und ein Regierungsmitarbeiter ist ständig anwesend, wenn produziert wird, damit auch tatsächlich nur die versteuerte Menge Wein produziert wird. "Wenn er geht, wird die Abfüllmaschine versiegelt", sagt Rania.

Derzeit verlassen um die vier Millionen Flaschen pro Jahr die Kellerei. Allerdings nicht nur ägyptische Bioweine, die in Alkoholläden und Hotels zu haben sind. Etwa die Hälfte der Abfüllung machen die von Labib Kallas als "All-Inclusive-Wein" bezeichneten Produkte aus. Denn für die Touristen in El Gouna importiert die Kellerei Traubensaft aus Spanien, Frankreich oder Italien und verarbeitet diesen weiter.

Einen herben Rückschlag erlitt die Kellerei nur durch den Arabischen Frühling 2011. "Nach der Revolution ging es nur noch ums Überleben", erzählt Labib. Er habe schon überlegt, in die Heimat zurückzukehren. Jetzt geht das Geschäft wieder gut, die Kellerei ist an dem Punkt, an dem sie vor der Revolution, schon einmal war. Und die Ideen sind Labib Kallas noch lange nicht ausgegangen. "Wir können dem Land immer noch mehr Qualität bieten. Und ich lebe einfach dafür zu hören: Ihr Beausoleil ist ausgezeichnet."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4230109
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 29.11.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.