Das sind die Alben des Jahres

Große Kunst aus schwerer Krankheit, ein internetschaumgeborenes Mangawesen oder alte Männer mit sehr frischem Spaß an der Musik. Was man 2023 gehört haben sollte.

Von den SZ-Popkritikerinnen und -kritikern
27. Dezember 2023

Ren: „Sick Boi“

Eine Zecke, damit fing es wohl an. Mit einer Zecke und einer unerkannten Borreliose, und weiter ging es mit zehn Jahren Höllenqualen: bestialischen Muskelschmerzen, lähmender Erschöpfung, blickdichtem Nebel im Gehirn, irgendwann dann den Psychosen. Auf dem Zenit seiner Krankheit lag Sänger Ren 23 Stunden am Tag im Bett, bekam sein Essen püriert, delirierte, siechte, wartete auf den Tod. Nun, der Tod kam nicht. Stattdessen kamen ein paar Ärzte, die ihn in einem eher umstrittenen Behandlungsstunt so weit wiederherstellten, dass er arbeiten konnte. Das Resultat: „Sick Boi“. Ein brillant kuratierter, emotionaler Flächenbrand aus 18 Songs – mindestens sechs davon kleine Meisterwerke, ungefähr vier große Indie-Hits. Der Rap-Anteil ist hoch, schnoddriger Flow, lässiges, britisches Genäsel, aber was heißt schon Rap bei Musik, die sich anfühlt, als habe Trent Reznor ein Album von The Streets geremixt, und zwar in einer Tropfsteinhöhle, in der permanent starke Säure die Wände herabläuft. Oder auch mal, als habe Jeff Buckley post mortem eine Leidenschaft für brandgefährliche Ragga-Chants entwickelt. Natürlich ist es ein Klischee, aber manchmal entsteht aus großem Leid eben wirklich sehr große Kunst. Jakob Biazza

Das sind die Alben des Jahres

Große Kunst aus schwerer Krankheit, ein internetschaumgeborenes Mangawesen oder alte Männer mit sehr frischem Spaß an der Musik. Was man 2023 gehört haben sollte.

Ren: „Sick Boi“

Eine Zecke, damit fing es wohl an. Mit einer Zecke und einer unerkannten Borreliose, und weiter ging es mit zehn Jahren Höllenqualen: bestialischen Muskelschmerzen, lähmender Erschöpfung, blickdichtem Nebel im Gehirn, irgendwann dann den Psychosen. Auf dem Zenit seiner Krankheit lag Sänger Ren 23 Stunden am Tag im Bett, bekam sein Essen püriert, delirierte, siechte, wartete auf den Tod. Nun, der Tod kam nicht. Stattdessen kamen ein paar Ärzte, die ihn in einem eher umstrittenen Behandlungsstunt so weit wiederherstellten, dass er arbeiten konnte. Das Resultat: „Sick Boi“. Ein brillant kuratierter, emotionaler Flächenbrand aus 18 Songs – mindestens sechs davon kleine Meisterwerke, ungefähr vier große Indie-Hits. Der Rap-Anteil ist hoch, schnoddriger Flow, lässiges, britisches Genäsel, aber was heißt schon Rap bei Musik, die sich anfühlt, als habe Trent Reznor ein Album von The Streets geremixt, und zwar in einer Tropfsteinhöhle, in der permanent starke Säure die Wände herabläuft. Oder auch mal, als habe Jeff Buckley post mortem eine Leidenschaft für brandgefährliche Ragga-Chants entwickelt. Natürlich ist es ein Klischee, aber manchmal entsteht aus großem Leid eben wirklich sehr große Kunst. Jakob Biazza