Landtagswahl in Bayern

„Manchmal habe ich Angst, dass mein Geld künftig nicht reichen wird“

Hohe Mieten, Inflation und Aiwangers Flugblatt-Affäre – welche Themen treiben junge Menschen vor der Landtagswahl in Bayern um? Fünf Wähler:innen berichten.

Protokolle von Josephine Haq Khan und Johanna Reiff
5. Oktober 2023 - 7 Min. Lesezeit

Am 8. Oktober 2023 wird in Bayern ein neuer Landtag gewählt. Mehr als eine halbe Million junge Menschen können dieses Jahr zum ersten Mal einen Stimmzettel abgeben und damit die Zukunft des Landes mitbestimmen. Was denken sie über die Parteien in Bayern, was beeinflusst ihre Entscheidungen?

Fünf junge Menschen aus Bayern erzählen, wie sie den Wahlkampf erleben, welche Themen sie beschäftigen und wie sie in die Zukunft blicken.

Rojda, 25, studiert Soziale Arbeit in Nürnberg

„Am meisten Sorgen macht mir der Rechtsruck in Bayern – und in ganz Deutschland. Dieser ist mir unter anderem dadurch bewusst geworden, dass meine beste Freundin jetzt oft problematische Sätze raushaut. Sie beschwert sich zum Beispiel, dass so viele Migranten in Bayern unterwegs seien. Das macht mir schon Angst. Ich sage dann zu ihr, dass ich das nicht okay finde. Ich würde gerne mehr sagen, aber ich fürchte, dass unsere Beziehung daran zerbrechen könnte.

Ich bin eine politisch sehr linksorientierte Person und setze mich für Gleichberechtigung und gegen Rassismus ein. Und ich habe das Gefühl, dass meine Werte in der bayerischen Politik nicht widergespiegelt werden. Manchmal habe ich das Gefühl, dass es sowieso nichts bringt, wählen zu gehen. Auf der anderen Seite denke ich mir: Wenn ich nicht wähle und das Ergebnis nicht so wird, wie ich es gerne hätte, dann kann ich mich nicht beschweren.

Wen ich dieses Mal wähle, weiß noch nicht. Es gibt keine Partei, der ich zu 100 Prozent zustimmen würde. In meinem Bezirk hatten wir vor kurzem ein Speed-Dating mit den Abgeordneten aller großen Parteien außer der AfD. Das war interessant. Davon abgesehen habe ich den Wahlkampf nicht wirklich verfolgt. Ich meide derzeit Nachrichten so gut wie möglich, weil sie so negativ sind. Aber manche Schlagzeilen bekommt man trotzdem mit. Das mit Aiwanger ist bei mir hängengeblieben und ich werde nochmal nachschauen, was genau da passiert ist.

Mir ist meine finanzielle Unabhängigkeit sehr wichtig. Ich bekomme BAföG und ein Honorar für mein Ehrenamt. Gerade bin ich auf der Suche nach einem Nebenjob, damit ich nicht mehr so viel nachdenken muss, was ich mir kaufen kann. In manchen Monaten komme ich gut mit meinem Geld zurecht, in manchen Monaten weniger. Die Inflation hat man vor allem als Student krass gespürt.

Wenn ich demnächst mit dem Studium fertig bin, muss ich aus dem Studentenwohnheim raus und auf Wohnungssuche gehen. Davor habe ich ein bisschen Angst, weil die Mieten so hoch sind und es kaum freie Wohnungen gibt. Und dann muss die Wohnung auch noch passen: Weil ich im Rollstuhl sitze, wäre es gut, wenn es einen Aufzug und eine Dusche gibt, in der ich easy duschen kann. Trotz der Ängste, die ich habe, bin ich aber insgesamt positiv.“

Sophia, 25, hat einen Bachelorabschluss in Journalistik und beginnt im Oktober ihr Masterstudium in Leipzig

„Von der Politik in Bayern fühle ich mich als junger Mensch nicht vertreten. Da ich politisch interessiert bin, habe ich auch den Wahlkampf verfolgt und bin genervt von dem Niveau, auf dem er teilweise geführt wird. Es wird nicht einmal mit lokalen Themen Wahlkampf gemacht, sondern auf die Bundespolitik und die Arbeit der Ampel verwiesen. Auch die Sache mit der Flugblatt-Affäre hat gezeigt, dass unser Ministerpräsident Entscheidungen oft rein strategisch trifft. Dass jemand, der womöglich dieses Flugblatt geschrieben hat, der so wenig zur Aufklärung beiträgt und gegen Medienvertreter hetzt, in der Politik bleiben kann, das finde ich erschreckend.

Ich werde wählen, das ist für mich keine Frage. In einer Demokratie ist das für mich das Mindeste, was ich tun kann. Wen ich wähle, weiß ich noch nicht. Momentan bin ich mit allen Parteien eher unzufrieden. Ich glaube nicht, dass aktuell genug in eine gute Zukunft investiert wird. Ich würde mir weniger Sorgen machen, wenn ich mit Blick auf die Politik das Gefühl hätte, dass der Wille, etwas zu verändern, wirklich vorhanden ist. Den großen Wurf sehe ich aber bei keiner der Parteien. Ich habe Angst, dass durch dieses Auf-der-Stelle-treten immer mehr Menschen politikverdrossen werden und gar nicht wählen.“

Vally, 22, arbeitet als Servicemonteurin in Nürnberg

„Würden auf der Straße keine Wahlplakate hängen und hätte ich die Wahlbenachrichtigung nicht kürzlich bekommen, hätte ich nicht auf dem Schirm gehabt, dass bald Landtagswahlen sind. Auch wenn ich mich nicht wirklich mit Landespolitik befasse, bin ich der Meinung, dass jede Stimme zählt. Und es gibt immer die Parteien, von denen man auf keinen Fall möchte, dass sie gewählt werden – dementsprechend sollte man erst recht eine andere Partei wählen.

Wen ich wählen werde, weiß ich noch nicht. Ich schaue mir vorher im Internet an, welche Parteien aufgestellt sind und was sie vertreten. Dann rede ich mit Familie oder Freunden darüber, weil ich gerne andere Meinungen zu politischen Themen höre. Ich wähle zum ersten Mal in Nürnberg. Ich wähle per Briefwahl, weil ich nicht weiß, wo ich vor Ort hingehen müsste.

Prinzipiell bin ich mit meinem Leben ziemlich zufrieden. Seit April habe ich eine eigene Wohnung, davor habe ich zwei Jahre in einer WG gewohnt. Mir war es wichtig, nah an meiner Arbeitsstelle zu wohnen. Als ich Azubi war, war es sehr schwer, eine Wohnung zu finden. Viele Vermieter wollen nicht an Azubis vermieten, da sie kein hohes Einkommen haben. Ich habe lange gesucht. Jetzt wohne ich in einer Zweizimmerwohnung mit 50 Quadratmetern. Ich hätte gerne etwas Größeres, aber für die erste eigene Wohnung ist es voll okay. Manchmal habe ich Angst, dass mein Geld künftig nicht reichen wird, aber sonst mache mir gerade keine großen Sorgen.

Nach Feierabend fahre ich öfter zur Freiwilligen Feuerwehr in meinem Heimatort Marloffstein. Mit dem Auto dauert das eine halbe Stunde, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln eineinhalb. Ich fahre immer öffentlich. Wenn man viel pendelt, gewöhnt man sich daran.“

Andi, 28, wohnt in Burgheim und ist Lehrer an einer Mittelschule

„Ich werde wählen, weil das unsere Chance ist mitzubestimmen, wie es die nächsten Jahre weitergehen soll. Ich halte nichts davon, aus Protest gar nicht oder eine Protestpartei zu wählen. Ich weiß noch nicht, wen ich wählen werde, will mich aber noch informieren, zum Beispiel über den Wahl-O-Mat. Ich versuche dieses Jahr auch die verkürzten Parteiprogramme zu lesen. Ich habe den Wahlkampf bislang nicht aktiv verfolgt und nur wenig mitbekommen. Ich höre gerade nur in der Früh und auf der Heimfahrt die Nachrichten im Radio.

Ich wohne alleine in einer kleinen Wohnung in Burgheim. Im Oktober ziehe ich nach Maisach um, weil ich jetzt nach meinem Referendariat an die Mittelschule in Fürstenfeldbruck gekommen bin. Mit beiden Wohnungen bin ich sehr zufrieden, aber die Preisunterschiede sind krass. Aktuell zahle ich 500 Euro warm für knapp 50 Quadratmeter, in Maisach dann 1200 Euro warm für 80 Quadratmeter. Da geht fast ein Drittel meines Gehalts für die Wohnung drauf. Es war mir aber klar, dass das teuer wird, weil es das Münchner Umland ist.

Ich finde, dass wir als Lehrer gut verdienen. Aber wir haben zu viele Aufgabenbereiche und sind überlastet. Die Kids sind überfordert, können sich nicht ausdrücken und haben teilweise schon mit zehn oder elf Jahren psychische Probleme. Wir brauchen kleinere Klassen, schon im Kindergarten Erziehungshilfen und generell mehr Hilfsangebote für Kinder. Auch die Bürokratie sollte verringert werden. Der bayerische Kultusminister Michael Piazolo hat schon versucht, das zu ändern, indem wir zumindest nicht mehr alles explizit dokumentieren und nachweisen müssen. Letztlich haben wir eher eine Sechs-Tage-Woche. Das wird meiner Meinung nach nicht ausreichend vergütet.“

Gabriel, 19, beginnt im Oktober ein Jurastudium in Tübingen, wohnt derzeit noch im Osten Nürnbergs

„Für mich ist die Landtagswahl das erste Mal, dass ich mit meinem Stimmzettel politischen Einfluss nehmen kann. Ich hätte mir gewünscht, schon früher wählen zu dürfen, und plädiere stark für eine Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre, egal ob auf Länder-, Bundes-, oder europäischer Ebene. Mit 80 oder sogar 100 Jahren darf man ja auch noch wählen, unabhängig von gesundheitlicher oder geistiger Verfassung. Viele junge Erwachsene bilden sich politisch und haben eine fundierte Meinung.

Ich werde auf jeden Fall zur Wahlurne gehen. Leider finde ich den Wahlkampf aber ziemlich populistisch. Die aktuelle bayerische Landesregierung ist eigentlich vor allem mit Ampel- und Grünen-Bashing beschäftigt. Die bessere Wahlkampfarbeit sehe ich bei den Oppositionsparteien, die sich häufiger auf inhaltliche Aspekte konzentriert. Unter anderem deshalb wird meine Erststimme vermutlich an die Grünen gehen. Wen ich mit der Zweitstimme wählen werde, weiß ich noch nicht.

Von der Politik in Bayern fühle ich mich nicht abgeholt. Das liegt unter anderem daran, dass das Durchschnittsalter im Landtag so hoch ist und dieser von Männern dominiert wird. Meiner Meinung nach brauchen wir mehr junge Menschen und mehr Frauen in der Politik. Außerdem haben die Masken-Affäre in der CSU und jetzt der Skandal um Hubert Aiwanger mein Vertrauen in die Landesregierung endgültig erschüttert. Ich frage mich, ob die Verantwortlichen nicht die politische Bühne für immer verlassen sollten. In solchen Momenten habe ich Verständnis für Mitbürger: innen, die politikverdrossen sind.

Ich glaube aber, dass wir Jungen das Potential haben, eine bessere Welt zu schaffen. Daher habe ich sehr viel Lust auf die Zukunft.“

Text: Johanna Reiff, Josephine Haq Khan, Digitales Storytelling: Sophie Aschenbrenner, Bildredaktion: privat, SZ Jetzt