Süddeutsche Zeitung

Wirtschaft:Made in Irgendwo

Lesezeit: 2 min

Indien und andere Länder wollen Produkte aus China boykottieren. Aber das ist gar nicht so einfach.

Von David Pfeifer

Es gehört zur modernen Warenwelt, dass niemand mehr so genau weiß, was eigentlich woher kommt. Mode "Made in Italy" wird in Bangladesch vorgenäht und in der Nähe von Mailand endgefertigt. Deutsche Autos laufen in Südafrika vom Band. Und Apple-Produkte werden eher in China als in Kalifornien hergestellt.

Wichtig wurde diese Information, als Apple vor Kurzem den ersten Online-Store in Indien eröffnete, nachdem die teuren Produkte bisher nur über andere Internet-Versandhäuser zu bekommen sind und häufig Fälschungen verkauft werden. Ein neues iPhone 11 kostet per Versand in Indien etwa 1000 Dollar, mehr als 90 Prozent des gigantischen Mobilfunkmarktes werden allerdings von Geräten beherrscht, die unter 300 Dollar kosten, weswegen Apple dort bisher nur im Luxussegment in Erscheinung tritt.

Nun also öffnet der Apple-Online-Store gerade rechtzeitig vor dem Start des hinduistischen Lichterfests am 14. November, was am ehesten mit dem christlichen Weihnachtsfest zu vergleichen ist, auch was den Konsum angeht. Und um die Kauflust nicht zu bremsen, gab Apple bekannt, dass das iPhone 11 seit Juli von Foxconn in Indien produziert werde.

Foxconn?, fragen sich da die Mac-Aficionados, ist das nicht dieser taiwanesische Konzern, in dessen chinesischen Fabriken Arbeitsbedingungen herrschen, die man in Europa eher mit Sklavenhaltung vergleichen würde? Was man in der modernen Warenwelt ignorieren können muss, wenn man Spaß an den schicken Geräten haben will. Genau - Foxconn hat eine Fabrik nahe Chennai aufgebaut und alleine dieses Jahr eine Milliarde Dollar in das indische Werk investiert. Was geschickt ist, weil man damit Import-Embargos auf chinesische Produkte aushebelt, und engagierte Ingenieure, die gut Englisch sprechen, gibt es in Indien viele. Das iPhone 11 ist nun also "Made in India".

Praktisch auch, weil in den Handelsbeziehungen zwischen Indien und China in diesem Jahr eine "Made in China"-Kampagne alter Prägung losbrach. Wer in Indien chinesische Produkte verkaufen möchte, muss diese für die Käufer deklarieren. Auslöser waren die Grenzkonflikte im Himalaja. Die Kampagne schlug bald solche Wellen, dass in indischen Städten TV-Geräte mit chinesischen Bauteilen auf die Bürgersteige krachten.

Die erste "Made in"-Kampagne, 1887 von den Briten erdacht, damals um Produkte des Billigherstellers "Germany" zu brandmarken, war kein großer Erfolg. Im Gegenteil, es wurde ein Qualitätssiegel daraus. Laut Umfragen steht beim "Made in ..."-Ranking heute Deutschland an Platz eins (Großbritannien auf Platz vier, Indien auf 42, China auf 49).

Immerhin kommt durch solche Kampagnen Bewegung in den asiatischen Arbeitsmarkt. So hat sich in jüngster Zeit die Mieterstruktur im ebenfalls boomenden Thailand verändert, weil immer mehr Menschen aus China und von den Philippinen dorthin immigrieren. Der Grund: Chinesische Hersteller verlegen ihre Produktionsstandorte nicht nur nach Indien, sondern auch nach Thailand, Vietnam und Indonesien - um US-Strafzölle und indische Embargos auf chinesische Produkte zu umgehen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5061443
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 10.10.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.