Süddeutsche Zeitung

Österreich:Sozial-liberale Premiere möglich

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Im Bundesland Wien verhandeln nach der Wahl erstmals SPÖ und liberale Neos über eine Koalition - das Nachsehen haben die bislang mitregierenden Grünen.

Als mögliches bundespolitisches Signal bahnt sich im Bundesland Wien das erste sozial-liberale Bündnis in der Geschichte Österreichs an. Die seit Jahrzehnten regierenden Sozialdemokraten unter Bürgermeister Michael Ludwig haben sich für die sofortige Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit den liberalen Neos ausgesprochen.

Vorstand und Präsidium der Landes-SPÖ hätten sich für einen "mutigen, neuen Weg" entschieden, sagte Ludwig am Dienstag. Bei einem erfolgreichen Abschluss der Gespräche, die bereits Mitte November beendet sein sollen, könne dieser Schritt ein Signal nicht nur für die Stadt, sondern auch für andere Teile der Republik sein, so Ludwig. Damit steht die seit 2010 in Wien regierende rot-grüne Koalition vor dem Aus.

Christoph Wiederkehr, der Vorsitzende und Spitzenkandidat der Wiener Neos, sprach von einem "historischen Tag" für seine liberale Partei. Wiederkehr zeigte sich zuversichtlich, dass die Verhandlungen in eine rot-pinke Koalition mündeten.

Kernpunkte des künftigen Regierungsprogramms werden laut Ludwig unter anderem der Ausbau des Gesundheitssystems, ein attraktives Bildungswesen, die Klimapolitik und die Fortsetzung der Wohnungsbaupolitik mit dem Ziel des bezahlbaren Wohnens sein.

Über Ressortverteilung und Personal soll erst am Ende der Verhandlungen gesprochen werden. Bürgermeister Ludwig erklärte, man sei "durchaus bereit, offenen Herzens auf die Neos zuzugehen", umgekehrt erwarte er es ebenso. Allerdings stellte Ludwig bereits jetzt klar, dass Privatisierungen für ihn nicht in Frage kämen, auch die von den Neos im Wahlkampf stark thematisierte Bildungspolitik will der Sozialdemokrat offenbar lieber bei seiner Partei belassen.

Im Bund regiert seit Anfang 2020 ein Bündnis aus konservativer ÖVP und Grünen. Der 59-jährige Ludwig gilt nicht erst seit seinem Wahlsieg bei den Landtagswahlen vom Oktober als besonders mächtiger Sozialdemokrat in Österreich mit immensem bundespolitischen Einfluss.

Grüne erreichten ihr bislang bestes Wahlergebnis

Die noch amtierende Vizebürgermeisterin Birgit Hebein (Grüne) bezeichnete Ludwigs Entscheidung zugunsten der Neos als "keine erfreuliche Entscheidung". Allerdings wolle sie den Fortgang der Gespräche abwarten und für den Fall des Scheiterns die Tür für eine Verlängerung des rot-grünen Bündnisses "offen halten".

Bei der Wiener Landtagswahl hatte die SPÖ 41,6 Prozent (plus zwei Prozentpunkte) erreicht. Die Neos hatten leicht auf 7,5 Prozent zugelegt. Damit kommen beide Parteien zusammen auf 54 von 100 Mandaten. Die Grünen hatten mit 14,8 Prozent ihr historisch bestes Ergebnis verbucht.

Das Klima im rot-grünen Bündnis hatte sich gerade in den vergangenen Monaten deutlich verschlechtert. Ein Grund war der - nicht mit dem Bürgermeister abgestimmte - Vorstoß der Grünen für eine weitgehend autofreie Innenstadt. Wien ist mit seinen knapp zwei Millionen Einwohnern Stadt und Bundesland zugleich.

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